Reise

Kultur und viel Eis in Siebenbürgen

Da Julian und Tabea momentan keine Lust auf weitere grössere Wanderungen haben, beschliessen wir, uns Siebenbürgen anzusehen. Transsilvanien oder eben Siebenbürgen liegt auf einer Art Hochebene mitten im Karpatenbogen, zentral in Rumänien. Seine Geschichte ist komplex und sehr wechselhaft.

Von Westen her kommend, ist Sibiu, auf Deutsch Herrmannstadt, unser erstes Ziel. Die Stadt bildete das politische Zentrum der Siebenbürger Sachsen und war Sitz der Universitas Saxonum, einer Art Siebenbürger Parlament, das sich bis 1878 um siebenbürgisch-sächsische Belange kümmerte und ein Symbol der politischen Einheit und Unabhängigkeit war.

Vor der Kür erfolgt aber die Pflicht: es ist Waschtag. Während die „Aufenthalte“ in Waschsalons zu kinderlosen Zeiten eigentlich jeweils ganz angenehme zwangsverordnete Ruhepausen waren, sind sie heute ein Ding der Unmöglichkeit. Zwei Stunden mehr oder weniger untätig neben einer Waschmaschine zu sitzen und ganz offiziell zum Lesen verknurrt zu werden – unvorstellbar mit zwei quirligen, redeseligen Flöhen mit 1000 irren Ideen. Zu unserer Erleichterung liegt der Waschsalon direkt neben dem weitläufigen Stadtpark mit einem Spielplatz, der keine Wünsche offenlässt. So kommen beide Elternteile doch noch – zwar getrennt – zu zwei Stunden ungestörter Lesezeit. Der Papa jedoch nicht ohne Bestechung mit Zuckerwatte und Popcorn.

Als wäre das Süssigkeitenkonto nicht schon längst überzogen, können wir die Kinder beim nachfolgenden Stadtbummel durch Sibiu nur mit Eis bei Laune halten.
Nicht unverdient wurde Sibiu 2007 zur europäischen Kulturhauptstadt gekürt; prachtvolle Fassaden reihen sich an Arkadengänge, unterbrochen von eindrücklichen Kirchenbauten. Die Stadt ist wie aus dem Ei gepellt und äusserst fotogen. Die Strassenlokale verbreiten mediterranes Flair und laden zum Verweilen bei einer eiskalten Limonada choc (Zitronenlimo ohne Zucker) ein. Beim grossen Platz sprudeln Wasserfontänen, ähnlich dem Bundesplatz in Bern. Diese sorgen für eine Stunde nasses Vergnügen, zufriedene Kinder und etwas Auszeit für die Eltern. Eine gebildete Dame versucht uns für das Bruckenthal-Kunsmuseum zu begeistern, dieses hätte auch für Kinder Interessantes zu bieten. Wir nicken höflich, während wir uns den Besuch mit zwei völlig durchnässten und bewegungshungrigen Fünfjährigen neben unzähligen fragilen Kostbarkeiten vor dem Inneren Auge passieren lassen. Die aktuelle Sonderausstellung über Glaskunst wäre wohl genau das Richtige!

Mit frischer Wäsche, einer Eisüberdosis und einer guten Portion Kultur ziehen wir weiter zur nächsten Stadt, Brasov/Kronstadt.

Ein Abstecher führt uns nach Bran, wo das Schloss Bran hoch auf einem steilen Felsen über der Schlucht und der Strasse, die Siebenbürgen mit der Walachei verbindet, thront. Das Gebäudewurde unter Ceausescu zu einer Touristenattraktion ausgebaut. Das Schloss ähnelt dem in Bram Stokers „Drakula“ beschriebenen Schloss des Vampirfürsten Vlad Draculea, welcher es aber wahrscheinlich nie betreten hat.

Im Gegensatz zu Sibiu gestaltet sich hier die Stellplatzsuche etwas schwieriger, sodass wir schliesslich ausserhalb der Stadt auf dem Platz des ehemaligen Stadions nächtigen. Zwar nicht idyllisch aber ganz gut, da sich hier ein Verkehrsknotenpunkt mit direkter Busverbindung in die Stadt findet.

Auch heute brennt die Sonne gnadenlos nieder, bereits um 10 Uhr klettert das Thermometer gegen die Dreissiggradmarke . An den Trinkbrunnen machen die Tauben den Menschen den Platz strittig. Am liebsten würde man es ihnen gleich tun und sich einfach unter den Wasserstrahl begeben!

Die Stadt ist umgeben von Karpatenwäldern und oben thront, hollywoodgleich und stolz, der Stadtname in riesigen Lettern hoch über der Stadt. Glücklicherweise in der rumänischen Schreibweise Brasov und nicht alternativ als Corona. Nach einem Bummel vorbei am alten Rathaus, durch die Strada republicii mit dem obligaten Besuch der schwarzen Kirche (Biserica Neagra). Dort findet sich eine interessante Ausstellung zur Geschichte von Siebenbürgen – einmal mehr dürfen wir unseren geografischen und historischen Horizont erweitern. Wir streifen weiter durch die Altstadtgassen mit ihren farbenfrohn Barockgebäuden, besuchen die jüdische Synagoge und die alten Türme der Befestigungsanlagen. Nicht zu vergessen: Das Eis von Brasov steht dem von Sibiu in keiner Weise nach – und braucht sich auch vorm Italienischen grossen Bruder nicht zu schämen!

Um die Knirpse bei Laune zu halten, fahren wir mit der Kabinen-Seilbahn auf den Hausberg Tâmpa und geniessen zuerst die fantastische Aussicht mit Überblick über die gesamte Stadt und danach die Stunde Abwärtsmarsch durch den angenehm kühlen Wald. Währenddem wir Erwachsenen die heissen Füsse im Brunnen kühlen, bespielen die nimmermüden Kinder den Spielplatz und leider auch ausgiebig einen frischgestrichenen Zaun. Die grüne Lackfarbe wird noch über eine Woche an der Kinderhaut haften bleiben – und an den Kleidern für alle Ewigkeit.

Den schönen Tag beschliessen wir – der dreckigen Kinder zum Trotz – in einem guten italienischen Restaurant. So kann uns auch eine dreimalige Irrfahrt im falschen Stadtbus die Laune nicht verderben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert