Reise

Gewitter in den Karpaten

Die Hitze und unsere Verbundenheit mit den Bergen treibt uns in die Höhe. Wir lassen Hunedoara hinter uns – eine Stadt mit einer skurrilen Mischung aus postkommunistischem Verfall und den oft lächerlich anmutenden gotisch-verkitschten Neubauten, die oft im Rohbaustadium stehen geblieben scheinen. So lange davon gehört, nun sind wir da: in den Karpaten. Wir machen uns auf in den ältesten Nationalpark der Südkarpaten, der Parcul National Retezat, der sich über knapp 400 Quadratkilometer hinweg zieht und über 80 Gletscherseen sein eigen nennt und Reich vieler – auch geschützter – Tiere ist.

Gemächlich, aber zuverlässig wie immer bringt uns unsere alte Dame TINKA all die Bergstrassen hoch. Die Luft ist angenehm frisch und verheisst endlich mal wieder eine gute Nacht. Wie immer ist es völlig problemlos, einen schönen Stellplatz zu finden. Wir vergnügen uns im Wald, planschen an Bergbächen, entdecken verwitterte Gemäuer.

Für den kommenden Tag planen wir eine etwas längere Tour. Da diese mit 8h Gehzeit und über 1000Hm veranschlagt ist und wir nicht sicher sind, ob die Kinder das packen, wird das Material für ein Biwak mit eingepackt. Die Wege sind schön und die Aussicht wird mit jedem Höhenmeter eindrücklicher: ein Eindruck der Weite der riesigen Wälder entsteht. Julian und Tabea sind gut gelaunt und ziehen davon. Beim ersten Frühstückshalt wollen sie eine umgekippte Birke entrinden – leider spaltet das Taschenmesser nicht die Baumrinde, sondern Tabeas Daumen. Ein klaffender, saumässig blutender Schnitt. Mal wieder wäre Nähzeug nötig…irgendwie bekommen wir die Blutung zum Stoppen. Zum Glück begegnen wir kaum Menschen – die müssten den Eindruck bekommen, wir hätten geschlachtet!

Über einen langen Grat in angenehmer Kraxelei passieren wir mehrere Gipfel. Mittagshalt haben wir an einem tiefblauen Bergsee, dem Lacul Stevia, geplant. Was sich über uns zusammenbraut, ist aber alles andere als blau, sondern tiefgrau. Einzelne Regentropfen kündigen das nahende Unwetter an. Sowohl die Wetterprognose wie auch unsere Einschätzung sind komplett daneben gelegen. Wir haben einen anspruchsvollen Abstieg über lange Geröllfelder vor uns, als der Himmel seine Schleusen öffnet und es aus Kübeln zu schütten beginnt. Es ist eine Frage der Zeit, wann sich die Flechten auf den Granitbrocken in Schmierseife wandeln und auch das Gewitter über uns ist. Zügig bewegen wir uns gegen unten, wir sind im Funktionsmodus. Auch die Kinder machen gut mit, obwohl sie langsam an ihre Grenzen kommen. Tabea findet, in Zukunft würde sie lieber zuhause zeichnen und malen statt solche Kletterausflüge zu machen – ein Argument, gegen das schlecht anzukommen ist!

Endlich erreichen wir sicheren Boden, der zwar komplett aufgeweicht und matschig, aber nicht mehr ausgesetzt ist. Wir sind alle durchnässt, hungrig und müde. Inzwischen sind wir fast 8h unterwegs – es liegen noch 500Hm Abstieg in steilem Gelände vor uns.

Bei der Tourenplanung haben wir ein Biwak entdeckt, dieses suchen wir nun auf. Es ist ein kleines, etwas schmuddeliges, aber doch trockenes Hüttchen, das sogar einen Ofen hat. Zum Glück ist die Reservewäsche noch einigermassen trocken. Bald schon knistert ein Feuer, die Kinder, eingemummelt im Schlafsack, sind zufrieden und eine Tomatensuppe dampft auf dem Kocher. Wir entscheiden, die Nacht hier zu verbringen. Die kommenden Stunden sind wir zwar am Trockenen, so ganz erholsam ist es aber nicht. Andauernd hört man Tiere schaben, rascheln, knacken. Todesmutig begibt sich Toralf auf die Suche im Innenraum nach dem raschelnden Störenfried. Es ist ein putziger Siebenschläfer, der uns wohl ebenfalls als Eindringlinge ansieht.

Nach einem kargen Frühstück machen wir uns auf den Abstieg. Im schönsten Wetter scheinen uns unsere quatschenden pitschnassen Schuhe fast zu verspotten. Die Blicke der frühen Wanderer, die uns im Abstieg entgegenkommen sind lustig – wir werden angeschaut, als kämen wir vom Mond.

Da Julian und Tabea momentan verständlicherweise keine Lust auf weitere grössere Wanderungen haben, beschliessen wir, uns Siebenbürgen anzusehen.

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