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Islamabad und Rawalpindi – The Beauty and the Beast

Wie immer, wenn wir über längere Zeit in abgelegenen Regionen unterwegs gewesen sind, schauen wir dem Besuch einer grösseren Stadt mit gemischten Gefühlen entgegen: einerseits vermissen wir die Natur, Ruhe und Abgeschiedenheit bereits beim Verlassen eines schönen Ortes, andererseits freuen wir uns nun auch über den zu erwartenden grösseren Luxus, insbesondere in Bezug auf unseren Speiseplan, der sich in den letzten Wochen doch ziemlich auf Kartoffeln, Tomaten und gelegentlich Gurken beschränkt hatte. Unser Navi-Programm ist tückisch: ein 50-Seelen-Örtchen wird oft in derselben Grösse dargestellt wie eine grössere Stadt. Wie oft waren wir ernüchtert, grad mal ein kleines Büdchen mit dem Nötigsten zu finden. Von Abbottabad erwarten wir ähnliches und sind erstaunt, als wir, von oben kommend, einen Blick auf die Stadt erhaschen, die ca. doppelt soviele Einwohner wie Bern hat. Entsprechend wird der Verkehr. Während es auf dem Karakorum Highway oder über den letzten Pass, den Babusar-Pass, noch recht gesittet zu und her ging, nimmt hier die Verkehrs-Anarchie ihren Lauf: aus der zweispurigen Strasse wird flugs eine fünfspurige gemacht und daneben drängen sich noch Motorräder durch. Es scheint das Gesetz des Stärkeren – oder vielmehr des Frecheren zu herrschen.

Das Fahren wird zunehmend unentspannter – plötzlich erscheint, einer Fata Morgana gleich, ein McDonalds Restaurant, davor ein blitzsauberer Parkplatz mit zwei Parkwächtern. Das ganze wirkt völlig unpassend, wie ein Pinguin in der Sahara – und doch übt es auf uns eine Anziehungskraft auf. Zuhause können wir unsere Besuche eines solchen Restaurant an einer Hand abzählen. Und tatsächlich, das klimatisierte Restaurant ist blitzsauber, man könnte förmlich vom Boden essen. Eine eigene Assistentin hilft uns bei der Auswahl, das bestellte Essen wird an den Tisch gebracht. Für die Kinder hat es einen Spielbereich, das WiFi funktioniert tadellos. Wir tauchen drei Stunden in diese Scheinwelt ab und geniessen selbst die WC-Besuche. Unter diesen Umständen irgendwie ganz schwer nachvollziehbar, dass die Stadt der letzte Aufenthaltsort von Bin Laden war.

in einer anderen Welt

Kurz danach entdecken wir einen Supermarkt an der Strasse, auch hier macht sich Freude auf eine etwas grössere Auswahl bereit – unsere Vorräte sind nämlich komplett aufgebraucht. Auch dieser Ort wirkt wie ein fremder Stern: klimatisiert, plätschernde Musik und völlige Leere. Obwohl sich das Angebot bei näherem Hinsehen doch eher auf viele nebeneinander eingereihte gleiche Artikel beschränkt, kommt Einkaufslust auf. Kaum liegt das erste Paket Biscuits im Körbchen, fragt eine Stimme hinter mir, ob ich diese Sorte gerne möge? Hinter mir steht ein Angestellter, der mich fortan auf Schritt und Tritt begleitet und jedes Produkt, das ich mir anschaue, kommentiert. Auch möchte er mir unbedingt mein Körbchen tragen. Nach 5 Produkten im Körbchen, wird flugs ein Einkaufswagen organisiert. Mehrfach probiere ich zu verstehen zu geben, dass ich gerne ohne Begleitung einkaufen möchte. An der einzig besetzten Kasse sitzen vier Männer: der eine nimmt meine Produkte aus dem Korb, der nächste tippt sie, der dritte packt sie – trotz meiner Ablehnung – in die leider üblichen unzähligen Plastiksäckchen ein, der vierte schaut dem ganzen Treiben zu. Schliesslich gesellt sich noch mein Einkaufbegleiter dazu, befragt mich, wie mein Einkaufserlebnis war und möchte mir die Einkäufe noch zu TINKA tragen.

Da wir uns noch nicht ganz durchringen können, in die Grossstadt Islamabad, dem „Wohnort des Islams“ einzutauchen, machen wir einen Schlenker ins Hinterland. Ganz klar, die Landschaft hat sich gewechselt und auch die Ortschaften mit ihren Bewohnern erinnern bereits sehr an Indien. Wir geniessen drei entspannte Tage an einem hübschen kleinen See bei einer alten verlassenen Moschee, werden zu köstlich gewürztem gegrillten Fisch eingeladen und kommen mit mehreren netten Anwohnern ins Gespräch.

Als erste Überraschung bietet sich uns die Autobahn, die nach Islamabad führt – eine fast leere Strasse in bestem Zustand! Seit Wochen bewegt sich der Tacho mal wieder auf die 60-70kmh, was die Kinder veranlasst, den Papa zu ermahnen, nicht so zu rasen! Tatsächlich sind wir so viel schneller als gedacht in der Hauptstadt – und staunen: statt eines riesigen, chaotischen und dreckigen Molochs mit tausenden tiefhängender Leitungen und zu Fallen werdenden sich verengender Gassen empfängt uns eine durch in Quadrate angelegte übersichtliche, saubere und grüne Stadt. Wir sind begeistert über diese Überraschung und leisten uns aufgrund der warmen Temperaturen mal wieder ein Hotel – für 20 Franken bekommen wir in einem zentral gelegenen Hotel ein grosses Zimmer mit Salon und geräumigem Bad. Wir fühlen uns wie die Könige, duschen ausgiebig und machen uns auf, die Stadt zu erkunden.

Die Faisal-Moschee ist enorm eindrücklich und wirkt trotz ihrer Grösse und Architektur schlicht und nicht protzig. Die Stimmung ist sehr friedlich, in der Dämmerung werden die Islamabad umgebenden Margalla-Hills zur romantischen Silhouette. Einmal mehr fühlen wir uns trotz anderer Religion sehr willkommen, die Gläubiger freuen sich über unseren Besuch.

Die Kinder möchten unbedingt mal wieder Pizza essen und wir erfüllen ihnen den Wunsch, indem wir den Pizza Hut in den Centaurus Towers aufsuchen. Der Besuch des riesigen Shopping Centers fühlt sich nach Monaten des einfachen Lebens äusserst befremdlich an, es kommt uns vor wie der Besuch eines fremden Planeten. Auch die Pizza trifft unsere Geschmacksnerven überhaupt nicht, aber wenigstens macht sie die Kinder glücklich.

Nach einem weiteren Bummeltag durch das schöne Islamabad zieht es uns schnell wieder in das „richtige“ Pakistan. Wir lassen TINKA auf ihrem Parkplatz und fahren mit dem Taxi nach Rawalpindi, der Schwesterstadt von Islamabad, oft auch als die hässliche Zwillingsschwester bennant. So nahe sich die beiden Städte auch befinden, so verschieden sind sie doch. Rawalpindi ist lebendig, chaotisch, verliert sich in tausend Gassen, gefühlt Millionen von Fahrzeugen zwängen sich durch noch so kleine Verbindungen. Das Leben vibriert. Auf dem Bazaar gibt es nichts, was es nicht zu kaufen gäbe – Ziegenfüsse und – hoden inklusive. Das Stoffquartier tut es den beiden Frauen besonders an; auch nach Stunden können sie sich nicht sattsehen werden an all den fantastischen Stoffen; praktischerweise kann der gekaufte Stoff direkt beim Schneider zum Kleidungsstück der Wahl verarbeitet werden. Auch nach Monaten des Reisens, fällt es einem bisweilen schwer, die niedrigen Preise zu „akzeptieren“ und sich dabei nicht seltsam vorzukommen – ein dreiteiliges Kleidungsstück, passgenau zugeschnitten und toll genäht für  kaum fünf Franken.

Bei einem Besuch der „Truck art“ Strasse, wo all die tollen Verzierungen der sensationellen Lastwagen hergestellt werden, trinken wir Tee in der Werkstatt von Faizan und dürfen dem Ladenbesitzer und seinem Sohn bei ihrer Arbeit zuschauen. In minutiöser Arbeit schneiden sie aus Klebefolie kleinste Kleberchen, mit welchen sie ziselierte Blechfiguren bekleben. Stolz zeigt uns Faizan zwei grosse Pfauen – daran hätte er zwei Monate am Stück gearbeitet – 180 Franken kostet das Kunstwerk.

In der Zwischenzeit ist es später Nachmittag geworden; der Bazaar ist kaum mehr wieder zu erkennen, auf jedem freien Stückchen Boden hat ein Verkäufer seine Waren aufgebaut, auch wenn es nur ein Ständer mit Gürtel ist. Ein unglaublich wuseliges Schauspiel, das aber stets freundlich und rücksichtsvoll bleibt und in das wir gerne eintauchen. Islamabad und Rawalpindi – locker hätten wir hier noch eine ganze Woche verbringen können. Da aber unser Visum bereits seit fast einer Woche abgelaufen ist, müssen wir weiter nach Lahore, ausserdem breitet sich eine Dengue-Fieber-Epidemie von Tag zu Tag stärker aus – schon jetzt macht sich der Abschiedsschmerz von diesem tollen Land breit.

4 comments

  1. Liebe KTTJ,

    Tolle Bilder und eine spannende Reportage. Karin, schau mal in den Spam-Ordner nach, darin hat es Guetnachtgschichtli.

    Liebe Grüsse Gotti Lotti

    1. Liebes Gotti Lotti – ausnahmsweise mal nicht im Spam :-). Toralf, Karin, Kids und Dschinn lassen grüssen!

  2. Hallo liebe Tinkas. Sitzen gerade in einem der wohl besten Hotelzimmer in Daumali, fern aller Touristenhotspots. Mein Liebster Pit hat wieder einmal eine Strecke ausgesucht, die Nichts!! offen ließ. „Road under construction“…. Staub, Dreck, Schlamm, auf und ab über Kilometer… doch eine unglaubliche Natur wurde uns geboten. Heute wieder ein ewiges auf und ab, und ein Namaste von allen Seiten. Wir durchfuhren kleine, urbane Dörfer, da kommen nur wir mit Fahrrad hin. Wir sind unterwegs Richtung Chitwan Nationalpark, dann ein kurzer Abstecher nach Kathmandu mit dem Bus, wir müssen noch Ersatzteile abholen. Wir werden versuchen, mit dem Zug nach Mumbai zu kommen…. nehmen es gelassen, sind spontan. Wir sind selber gespannt wie es dann weiter geht, es ändert bei uns im Moment immer wieder. Werde noch ein bisschen eintauchen in euren Blog, sehr spannend. Indien ist gross, wer weiß, vielleicht treffen sich unsere Wege da, wo wir es nie erwarten. bis bald einmal, herzlichst Bea und Pit

    1. Liebe Bea, lieber Pit
      Ach, schön, von Euch zu hören! Ja, wir sind gar nicht mehr soo weit voneinander weg…Chitwan haben wir auch gut in Erinnerung, aber sehr feucht-heiss! Und immer eine tolle Geräuschekulisse. Mit TINKAs Pferdestärken machen uns die Hügel nicht ganz so arg Mühe, dafür könnt ihr bei tiefhängenden Kabeln und engen Gässchen lachen.
      Tja, und wir sind leider noch nicht ganz soweit, dass wir uns völlig treiben lassen können – bald schon wieder machen wir uns wieder auf nach Pakistan und Iran – die Heimat ruft!
      Allzeit gute Fahrt, wenig Platten und vernünftige Strassenteilnehmer…
      Liebe Grüsse vom ganzen TINKA-Team

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