Reise

Wie Ovid in die Walachei kam- und ein abendlicher Städtebummel mit TINKA durch Bukarest

Tanja und Gunnar sind es auch, die uns auf die nächste, eigentlich ungeplante Etappe bringen: die Transfaragasan. Gemäss Reiseberichten eine rumänische Gebirgsstrasse der Superlative. Sie verbindet das Arges-Tal im Süden in der Grossen Walachei mit dem nördlichen Siebenbürgen. Sie überquert das Fagaras-Gebirge und windet sich über 150km in unzähligen Serpeninen auf die Passhöhe mit dem Balea-See hinauf und logischerweise auch wieder hinunter. Früher als einfacher Forst- und Gebirgspfad angelegt, ist sie unter der Megalomanie von Ceausescu in nur vier Jahren Bauzeit entstanden. Die Anzahl der dadurch geforderten Menschenleben ist wie so oft spekulativ und höchstwahrscheinlich hoch.

Diese Strecke war selbstverständlich auch auf unserer Rumänien-To-Do-Liste. Beim genauen Planen haben wir uns aber schweren Herzens dagegen entschieden, weil kurz vor der Passhöhe ein Tunnel liegt, dessen Höhe mit 3.60m angegeben wird. Da ist TINKA mit ihren 3.85m klar drüber. Schade, aber wir haben uns mit der Transalpina, der westlich davon gelegenen Nord-Süd-Verbindung über die Tanssilvanischen Berge getröstet, welche durchaus auch schön war. Tanja und Gunnar berichten uns aber von Reisenden mit einem 3.90m Mobil, die den Tunnel problemlos gemeistert haben und schwärmen von der schönen Strecke. Es wird kurzerhand umgeplant und wir machen uns auf den Weg.

Kurz nach unserem Strandörtchen passieren wir Ovidiu. Weit hinten in den Hirnwindungen existiert noch eine Synapse zwischen meinem römischen Lieblingsdichter und Verbannung ans schwarze Meer. Nach kurzer Recherche bestätigt sich dies: tatsächlich wurde Ovid von Kaiser Augustus von Rom nach Tomis am Schwarzen Meer verbannt.

Die Fahrt durch die Walachei ist sprichwörtlich etwas öde, wir nehmen hier die Autobahn, die Hitze tut ihr übrigens. Alle – ausser der Fahrer – dämmern vor sich hin, als ein feines „Kling-Plong“ das Adrenalin plötzlich in die Adern schiessen lässt. Wir kennen TINKA und ihre Geräusche inzwischen in- und auswendig. Und „Kling-Plong“ ist definitiv ein Alarmgeräusch. Also sofortiger Stopp auf dem Pannenstreifen. Tatsächlich findet sich ca. 300m vor unserem Nothalt das Corpus delicti: es ist eine grosse Schraube der Motoraufhängung. Schon zum zweiten Mal verfluche ich es heute, einen Rock angezogen zu haben. Auf TINKA zu steigen und vornübergebeugt in der Motorhaube herumzuwerkeln, während Toralf unter TINKA gegenschraubt, wäre in Hosen definitiv angenehmer. Freundlicherweise wartet der Wolkenbruch bis zum Anziehen der letzten Mutter.

Wie könnte es anders sein, das Navi bringt uns im Zick-Zack-Muster mitten durch das Zentrum von Bukarest, entlang von Prachtboulevards, Shoppingmeilen und Verwaltungsgebäude. Wir machen sozusagen eine Individual-Stadtrundfahrt. Mehr als einmal ruft diese Stadt Erinnerungen wach: an Ashgabat, die irre Hauptstadt in Turkmenistan – die Parallelen von Herrschern mit Machtwahn sind unverkennbar. In ähnlicher Manier reiht sich eine gigantische Baute an die nächste. Man wird das Gefühl nicht los, ein kleiner Zwerg in einer Riesenwelt zu sein. Der Kontrast könnte nicht grösser sein: fussballfeldgrosse spiegelnde Glasfassaden, Prachtspaläste, Stuckfassaden, Plattenbau-Arbeiter-Schliessfächer…fast bereuen wir es, die Hauptstadt auf unserer Route ausgeklammert zu haben. Aber nur fast: die teils zehnspurigen! Strassen im Zentrum lassen den Puls nicht auf ein gesundes Niveau runterkommen und dass wir versehentlich die deutlich ruhigere Busspur erwischen, ebensowenig.

Weiter geht die Reise durch die uns eher öde erscheinende Walachei. Das historische Fürstenstädtchen Curtea de Arges mit seiner opulenten Klosterkirche ist da eine willkommene Abwechslung. Leider erwischen wir auch hier einen langen Boulevard mit üppigem Platanenbewuchs, geschnitten auf 3.50m.

One comment

  1. Echt toll bei euch mitzureisen und sich inspirieren zu lassen. Unsere BLS Tour ging heute leider zu Ende. Nach der Reise ist vor der Reise 😊 Bis bald & liebe Grüsse, S

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