Reise

Der klassische Iran – Auspuffverlust in der Wüste und andere Scheissereien

Da wir nun zum zweiten Mal Besuch aus der Schweiz im Iran erwarten, diesmal das Gotti der Kinder, haben wir die Reise so geplant, dass wir mit ihr „die Iran-Klassiker“ bereisen werden – also all die Orte, welche bei jeder Studienreise besucht werden. Es wird enger werden in TINKA, doch wir freuen uns auf den Besuch – für die Kinder fällt so auch der Abschied vom geliebten Götti leichter.

Nach 3 Angewöhnungstagen in Isfahan ziehen wir Richtung Osten nach Varzaneh, einer hübschen, verschlafenen Wüstenstadt, die nach einer Fahrt durchs Nirgendwo plötzlich auftaucht. Hier tragen die Frauen plötzlich den weissen, statt den ewigschwarzen Tschador – was das Kleidungsstück gleich viel freundlicher wirken lässt.

Ausnahmsweise werden wir im Guesthouse übernachten und suchen uns am Stadtrand ein Plätzchen für TINKA, da die engen Gässchen zwischen den Lehmhäusern definitiv nichts für einen PKW, geschweige denn für TINKA sind. Wir wären aber nicht im Iran, würde nicht plötzlich ein weisses Auto erscheinen, mit einem Fahrer, der uns einzusteigen bedeutet. Wir werden in das Guesthouse von Mohammad gebracht, der uns in fliessendem Englisch oder wahlweise Französisch oder Italienisch begrüsst. Er hat in Bordeaux und Milano Mathematik studiert, sich in Phytomedizin weitergebildet und betreibt nun das Haus seiner Eltern als Gasthaus. In einer wirtschaftlich sehr schwachen Gegend ist es ihm so möglich, quasi die ganze Familie zu beschäftigen und darüber hinaus noch mehrere Dorfbewohner – einzig die Verwirklichung einer eigenen Familie ist dem 40jährigen Mohammad zu seinem Betrübnis noch nicht geglückt.

Gerne machen wir vom Angebot für Ausflüge in die nähere Umgebung Gebrauch – so dürfen wir uns mal entspannt  fahren lassen und unterstützen erst noch eine gute Sache direkt. Und nicht zuletzt sparen wir uns eine grosse TINKA-Putzaktion nach dem Ausflug über den Salzsee, wo danach das aggressive Salz überall klebt.

Julian und Tabea sind fasziniert von dem weiten Weiss und verwirrt, wieso das Eis so heiss ist und sich so ganz anders anfühlt. Immer wieder werden die Finger abgeschleckt und die grossen Salzkristalle gekostet.

Die „Singing Ox Mill“ beigestert uns Erwachsene mindestens so sehr wir die Kinder – mit der Muskelkraft eines Ochsen wird das Wasser aus einer tiefen Zisterne geschöpft – was den Ochsen antreibt, seine so anstrengende Arbeit zu verrichten, sind keine Schläge oder Tritte, sondern ein dutzendfach am Tag durch den Ochsentreiber gesungenes tiefmelancholisches Liebeslied.

Den Tag beschliessen wir in den Dünen der Dasht-e Kavir, einer der grossen Sandwüsten des Irans. Die Kinder toben sich nach Herzenslust aus und wir geniessen es, sie einfach mal wieder rennen lassen zu können, ohne Mopeds oder Autos befürchten zu müssen. Müde und glücklich schlafen sie nach dem Essen am Feuer unter dem Sternenhimmel ein, als wäre diese Art der Übernachtung das Alltäglichste der Welt für sie. Es ist schön zu sehen, wie selbstbewusst und ausgeglichen Julian und Tabea in den letzten Monaten auf der Reise geworden sind; sie gehen offen auf Menschen und Situationen zu und entdecken Neues mit viel Freude.

Ein heisser Tag liegt vor uns, wir haben eine längere Strecke durch die Wüste bis nach Yazd vor uns – endlich mal wieder Gelegenheit für Karin, sich ans Steuer von TINKA zu setzen. Bei der zunehmenden Waschbrettpiste übergibt sie das Steuer aber bald wieder an Toralf – zum Glück! 5 Minuten später hören wir ein ungutes Geräusch – TINKA hat ihren Auspuff verloren! Während wir das gute Teil an der Stossstange festtüddeln, kommt tatsächlich ein weiteres Auto auf der sonst so verlassenen Piste angefahren – Tobias, ein junger, deutscher Overlander – der erste seit Tabriz vor 5 Wochen…was für ein Zufall! Nach einem Wüsten-Schwätzchen fahren wie weiter nach Yazd, ebenfalls eine Wüstenstadt; wahrscheinlich die bekannteste im Iran. Bereits Marco Polo hat hier im 13. Jahrhundert Halt gemacht – wahrscheinlich hatte er aber andere Probleme als einen kaputten Auspuff.

Auf dem Weg dorthin besuchen wir Kharanaq, eine über 1000jährige verlassene Geisterstadt mit einer bezaubernden  Athmosphäre, die einem in Gedanken in die Vergangenheit bringt. Wir fahren weiter durch die Hügel und in engsten Zickzack-Kurven durch das landschaftlich faszinierende Wüstenland nach Chak-Chak – DER Pilgerstätte der Zarathustra-Anhänger. In dieser Gegend treffen wir häufig auf die noch bestehenden, aber nicht mehr als solche genutzten „Towers of Silence“; bis in die 70er Jahre wurden die Toten der Zoroastriker auf diesen Türmen für die Vögel ausgelegt, um die Heilige Erde oder das Feuer nicht zu beschmutzen. Chak-Chak mit seinen unzähligen Picknickenden auf allen Ebenen erinnert uns mehr an einen Freizeitpark als an eine Gedenk- und Religionsstätte – aber der Ausblick macht den anstrengenden Aufstieg mehr als wett.

In Yazd suchen wir erst mal wieder eine Werkstadt auf – kein Problem; im Handumdrehen von 3 Stunden (davon 20 Minuten Arbeitszeit) ist unser Auspuff wieder wie neu und TINKA röhrt in die Stadt. Yazd selber kann uns – entgegen Anpreisungen von vielen – nicht ganz so in seinen Bann ziehen. Es ist hübsch, weist aber Horden von – hauptsächlich iranischen – Touristen auf. Zudem haben die Temperaturen längst wieder die 40°C Grenze geknackt – wenigstens ist der Ramadan nun vorbei und wir dürfen ungeniert auf offener Strasse trinken, was auch bitter nötig ist. Bei einem Stadtrundgang wird unser Führer von einem Mann mit Nachdruck darauf hingewiesen, Karin zu sagen, dass ihre Kleidung bad hejabi, unpassend sei – die Ärmel enden knapp 10cm hinter dem Handgelenk…selbstverständlich trägt der Moralapostel selbst ein luftiges Kurzarmhemd und Sandalen.

Die Reise führt uns weiter zu Pasargadae und Persepolis, DEN Ausgrabungsstätten im Iran. Während von Pasargadae neben dem Schrein von Kyrus eher wenig erhalten ist, liegt diese Stätte wunderbar friedlich in einer weiten Landschaft, umgeben von Getreidefeldern, die bereits erntereif sind. Persepolis, eine der Hauptstädten im antiken Perserreich, zieht uns sofort in seinen Bann – dank des konservierenden Wüstensandes sind viele Einzelheiten, insbesondere die Reliefs der verschiedenen Palastanlagen noch fantastisch erhalten.

Die Temperaturen machen uns aber auch hier zu schaffen; 45°C ohne Schatten bremsen unsere Entdeckerlust, während die Kinder begeistert Verstecken hinter den Säulen spielen oder Schmetterlingen oder Echsen nachjagen.

Schon bald empfangen uns die Hügel der Vororte von Shiraz. Shiraz – ein Schelm, wer böses denkt! Aber tatsächlich hat der Shirazwein seinen Ursprung in dieser Stadt. Die Sonnenhügel scheinen für den Weinanbau wie geschaffen. Die Stadt, obwohl auch am Rande der Wüste, hat viel Grün zu bieten, ist quirlig und gefällt uns sofort – auch diese Tage werden wir von der Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit der Iraner mehrfach überrumpelt: völlig verschwitzt und zerzaust steigen wir nach der langen Fahrt aus TINKA, fast sogleich hält ein eleganter PKW neben uns – der Fahrer, der sich als Rechtsanwalt vorstellt und uns höflich seine Karte aushändigt, lädt uns ein, in seiner klimatisierten Wohnung zu übernachten oder wenigstens sein Bad zu nutzen. In der Stadt sitzen wir keine 3 Minuten auf einem Bänkchen, schwupps hat ein jeder von uns ein Lunchpaket in den Händen, am Nachmittag werden die Kinder mit Eis beschenkt, wir mit kalten Getränken – allen Begegnungen folgt wie selbstverständlich eine Übernachtungs- und Essenseinladung.

Uns zieht es weiter nach Ghalat, einem kleinen Dorf in den Bergen, wo wir wandern gehen wollen. Wir treffen auf ein verschlafenes Nest, das wohl einst Ziel vieler Aussteiger gewesen ist – noch immer finden sich entsprechende Spuren – der süssliche Hanfduft ist aber wohl eher aus der Gegenwart denn aus der Vergangenheit haften geblieben.

Eigentlich wollten wir die kommende Etappe, zurück nach Isfahan, mit Wanderungen im Zagros-Gebirge auflockern und so auch der Dauerhitze entfliehen. Uns alle erwischt ein fieser Magendarm-Käfer, der einen nach dem Andern ausnockt und die Reisecrew in „Oben-Raus“ und „Unten-Raus“ Lager spaltet. Noch heute sind wir uns nicht einig, welche Sektion mehr Glück hatte. Toralf erwischt es zum Glück als Letzten, sodass er TINKA an einem Tag über 500 Kilometer durch das Gebirge peitscht, um nicht irgendwo im Nirgendwo in der Wüste mit einer Truppe mit Gastroenteritis zu stranden. Völlig erschöpft erreichen wir nach 2 Wochen den sicheren Hafen Isfahan wieder. Statt mit einem feinen Abschiedsessen verabschieden wir das Gotti nun mit Zwieback, Bananen und Schwarztee.

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