Reise

Zwischen Stühlen und Bänken – wenn das Computersystem an der kirgisischen Grenze ausfällt

Nach Verlassen von Murghab, einem kleinen, aber doch strategisch wichtigen Ort am Pamir-Highway, wo viele LKWs ihren Weg nach China antreten, geniessen wir ganz bewusst die letzten 400 Kilometer des Pamir-Highways, obwohl dieser für uns persönlich mit dem Auftreffen auf die M41 und Verlassen des Wakhan-Valleys geendet hat. Inzwischen sind die Strassen wieder ganz ordentlich fahrbar, nach wie vor treffen wir aber auf äusserst wenig Verkehr. Die Landschaften sind nun viel weiter – ein Vorgeschmack auf Kirgistan. In diesem Gebiet leben auch sehr viele Kirgisen; bereits in Murghab wird anhand der kirgisischen Zeit, 1 Stunde weiter als in Tadjikistan gelebt, obwohl offiziell natürlich die tadjikische Zeit gilt.

In dieser weiten Ebene tritt plötzlich ein gigantisches Blau auf: es ist der Karaköl-See, entstanden durch einen Meteoreinschlag vor langer, langer Zeit. Das Blau ist dermassen intensiv, dass es schon fast surreal-kitschig wirkt. Abends pfeift der Wind, es wird richtig kühl – wir geniessen diese herbstlichen Temperaturen sehr; wer hätte dies gedacht?! Irgendwie haben wir am nächsten Tag so gar keine Lust, weiterzufahren – Tadjikistan hat uns so sehr gefallen, die Natur war unglaublich eindrücklich, die Bergwelt schroff, die Täler mit all ihren prallvollen leuchtend-orangen Aprikosenbäumen lieblich. Es fällt uns schwer, dieses Land zu verlassen – das wird kaum mehr zu toppen sein. Ausserdem haben wir momentan wenig Lust, uns schon wieder auf ein neues Land einzustellen und nicht zuletzt hört und liest man vom tadjikisch-kirgisischen Grenzübergang viel Schlechtes; Abzocke und irgendwelche ominösen Bussen seien an der Tagesordnung. So treffen wir auch 20 Kilometer vor der Grenze ein holländisches Paar an, die aufgrund eines fehlenden Autopapiers eine Strafe von 360 USD aufgebrummt bekamen und schliesslich 200 USD bezahlt haben. Es wird uns immer wieder bewusst, was es doch heisst, in einem Land mit funktionierendem Rechtssystem leben zu dürfen!

Nichtsdestotrotz rollen wir auf die tadjikische Grenzstation zu – zu unserer rechten Seite immer begleitet vom unendlich scheinenden Grenzzaun zu China. An der Grenze müssen wir aufgrund mehrerer abzufertigenden Fahrzeugen recht lange warten. Die Stimmung ist angespannt, die Uhr rückt immer weiter vor. Ausserdem solldie Strasse im Niemandsland zwischen den beiden Grenzposten katastrophal und gefährlich sein – tolle Aussichten in der Dunkelheit!

Wieder Erwarten ist die Abfertigung durch die Tadjiken sehr freundlich und geht fix voran – die Kinder werden sogar mit Keksen beschenkt, der Beamte freut sich sichtlich, dass uns das Land so sehr gefallen hat. Schön, dürfen wir Tadjikistan so verlassen – vor lauter Erleichterung schenken wir den Grenzlern noch zwei Tafeln Schweizer Schoggi, worüber sie sich sehr freuen.

Die Strasse zwischen den beiden Ländern ist tatsächlich nicht gerade berauschend, aber wir haben durchaus schon Schlimmeres erlebt. Ausserdem ist die Abendstimmung auf der Fahrt äusserst friedlich und, da die Posten 25km auseinanderliegen, können wir uns nun bereits auch etwas auf Kirgistan einstellen. Die Landschaft ist mal wieder einfach atemberaubend: grüne, sanfte Hügel überall, dahinter die Schneeriesen.

Wir haben Glück: der kirgisische Zoll scheint 24 Stunden bedient zu sein, nur leider ist im Moment das Computersystem ausgefallen, Warten ist angesagt. Wie aus dem Nichts beginnt es zu graupeln, was die Stimmung noch mystischer macht. Fix werden die letzten Beutel Caotina (heisse Schokolade aus der Schweiz) hervorgekramt und bald knuspern wir die letzten iranischen Kekse bei dampfender heisser Schoggi – es könnte also durchaus schlimmer sein! Irgendwann dürfen wir die Einreiseformalitäten erledigen, die offiziellen Reisestempel stehen nun im Pass. Nur fällt vor der Registrierung von TINKA das Computersystem erneut aus; nach einer Stunde Warten fragen wir nach, ob ein Ende abzusehen ist. Da dies nicht der Fall ist, richten wir uns auf dem Zollhof ein. Tabea und Julian flitzen mit ihren Rädern herum, wir begutachten – so gut wie möglich – die Blessuren, die TINKA vom Pamir davongetragen hat: einerseits begleitet uns seit etwa 100km ein schleifend-kreischendes Geräusch von der rechten Vorderbremse, eine lange Schraube konnte locker aus der Bremstrommel gezogen werden – recht beunruhigend, aber die Bremstrommel inmitten der mondlandschaftähnlichen Einöde auseinanderzuschrauben, ist auch keine verlockende Option. Zudem kommen klackende Geräusche ungefähr ebenso lange vom Dach her. Die Inspektion lässt wenig gutes vermuten: im Bereich der Fixation des Gepäckträgers zeigt sich ein langer Riss in TINKAS Dach – und dies, obwohl wir keine 40kg auf dem Dach hatten. Wir hoffen, dass wir die letzten 150km noch einigermassen überstehen; vor Osh stehen die Chancen auf eine Werkstatt schlecht.

Nach Ewigkeiten funktioniert das Computersystem doch wieder und die Formalitäten für TINKA können erledigt werden. Auch hier läuft alles gut, abgesehen davon, dass sich die beiden höheren Grenzbeamten weigern, uns eine Quittung für die bezahlte Eco-Tax auszustellen. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass wir diese also beim Verlassen des Landes erneut und wahrscheinlich auch noch eine „Strafh“ bezahlen werden.

Auch wenn uns die zunehmenden Geräusche nicht ganz entspannen lassen, sind wir doch wieder fasziniert von der Schönheit, mit welcher uns dieses Land begrüsst. Die Menschen winken uns freundlich zu, überall stehen Jurten, umgeben von Pferden mit glänzendem Fell. Tabea und Julian wissen schon ganz genau, dass sie in diesem Land unbedingt reiten wollen – ein Wunsch, der hier doch zu erfüllen sein sollte.

One comment

  1. danke für den beitrag.
    und eine tafel choggi wirkt immer 😉 mal versuchen obs beim ausreisen funktioniert. weiterhin alles gute euch 4, grüessli elodie

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