Reise

Iran – der Norden oder auch Polizisten haben Hämorrhoiden

Es gilt nun definitiv Abschied zu nehmen von Isfahan, der Stadt die uns ans Herz gewachsen ist, in der wir uns bereits heimisch fühlen. Aber auch an den Abschied vom Iran selber zu denken. Es bleiben uns knappe 10 Tage, bis wir in Turkmenistan einreisen müssen – das Transitvisum legt uns einen streng definierten Zeitplan vor.

Vom Norden Irans haben wir verschiedenes gehört: andere Overlander raten uns davon ab – zu verschmutzt, zu uninteressant, viele Iraner selbst brechen in Lobgesänge aus über das wunderbare Klima und die gute Luft, die dort herrschen soll. Ausserdem ist da ja noch Teheran, der pulsierende Moloch mit seinen 15 Millionen Einwohnern. Eine Einladung und einen Platz für TINKA wurde uns von lieben Menschen auch bereits organisiert. Aber irgendwie reizt uns die Stadt im Moment so gar nicht – wir haben Sehnsucht nach Natur und Stille und entscheiden uns, Teheran beiseite zu lassen.

Nach Qom, neben Mashad die zweitheiligste Stadt im Iran und Ausbildungsort hunderter von Koranschülern, zieht es uns nach Rasht am Kaspischen Meer. Von dort aus möchten wir einen Abstecher ins Alamut Tal machen. Obwohl wir nun seit Wochen durch dieses Land ziehen, entdecken wir immer wieder völlig neue Landschaften – so auch hier. Unendlich weite Hügellandschaften mit Getreidefeldern, überall ist die Ernte im Gange, das Getreide goldgelb – wir können uns kaum sattsehen. Bald schon tuckert TINKA durch Reisfelder-Terassen, Menschen mit spitzen Strohhüten darin beschäftigt. Wüsste man es nicht besser – wir würden uns in Vietnam oder Nepal wähnen.

Wir werden von der Polizei angehalten – wie immer geht es lediglich um ein nettes Gepräch; woher – wohin – Bayern-München. Mit Händen, Füssen und Handy wird uns ein See empfohlen. Was für ein guter Tipp! Bald schon finden wir uns an einem tiefblauen Bergsee wieder – Julian und Tabea können sich kaum halten.

Die Iraner sind ja ein äusserst picknick- und campingaffines Volk – auch hier treffen wir auf Dutzende Iraner, die ihr knallfarbiges Pop-Up-Zelt aufgebaut und ihren halben Hausrat davor ausgebreitet haben.

Eigentlich wollten wir hier unsere viel komplizierter als gedachten Visumsangelegenheiten für China und Indien in die Wege leiten, während die Kinder draussen spielen. Da haben wir die Rechnung aber ohne die iranischen Kollegen gemacht: im 10Minuten-Takt erscheint jemand in unserer Tür mit Süssigkeiten, Melonenstücken, Pflaumen (jawohl, die ungeniessbaren, grünen), Kirschen, Kebabspiessen, gefüllten Weinblättern, Schmorgerichten. Es häuft sich soviel an, dass wir eintuppern müssen. Hamehd, ein ehemaliger Iranian Air Force Angehöriger spricht etwas Englisch und fungiert die weiteren Tage als Übersetzer. Wir werden bis ins kleinste Detail ausgefragt. Leider rutscht uns Karins Beruf raus; fortan schallt es „Doctor, come swim“, „Doctor, hello“, „Doctor here“, „Doctor there“ über den Platz. Abends treffen die beiden Polizisten, deren Bekanntschaft wir am Morgen gemacht haben, auf ihrer Kontrollfahrt am Bergsee ein. Hamehd schaltet sich ein und auch die Polizisten müssen natürlich in Kenntnis ob unserer Berufe gesetzt werden.

Sofort beginnt der eine Polizist von seinem proktologischen Leiden und seiner hartnäckigen Verstopfung zu erzählen – Hamehd übersetzt. Es bildet sich eine Menschentraube, die die Konsultation mit Nicken und eigenen Erfahrungen kommentiert. Hamehd scheint recht frei zu übersetzen, so empfiehlt er, viel Fleisch zu essen…naja – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt und Apotheker…

Gerne hätten wir noch mehr Zeit in den schönen Elbrus-Bergen verbracht, die (vergleichsweise) Ruhe und die Kühle haben uns gut getan nach den hektischen Städten, aber es sind noch 1000 Kilometer bis zur Grenze zu bewältigen.

Es führt kein Weg an Teheran vorbei – die Autobahn führt durch die Stadt. Sie ist deutlich angenehmer als erwartet, wunderbar blühende Oleanderbüsche säumen den Weg; trotz allem lässt sich eine bis zu 6 spurige Strasse nicht schönreden. Wir sind froh, als wir die Ausläufer der Riesenstadt erreichen. Wir machen uns auf den Weg, den Pass über den Elbrus in Angriff zu nehmen – das kaspische Meer wartet! Leider vereitelt eine Höhenbegrenzung von 3.70m diesen Plan – TINKA misst 3.85m. So dürfen wir uns einmal mehr durch den eingedickten Feierabendverkehr kämpfen, um einen riesigen Umweg anzugehen. Als kleiner Trost winkt uns der Damavand zu.

Angekommen am kaspischen Meer, fragen wir uns dauernd, von welchem angenehmen Klima die Iraner gesprochen haben?! Die Kleider kleben, kaum hat man sie gewechselt; es gelingt kaum, soviel zu trinken, wie man schwitzt. Das erste Mal auf der Reise bekunden auch die Kinder „heiss“.

Die Hitze gepaart mit der hohen Luftfeuchtigkeit raubt uns den Atem und den Schlaf – wenig erholt wachen wir am nächsten Morgen auf und glauben zu träumen. Wir sind umgeben von einer riesigen Kamelherde, die neugierig um TINKA herumschnuppert und ihrerseits einen doch recht deftigen Geruch hinterlässt.

Am letzten Tag im Iran wollen wir noch schnell ein paar wichtige Emails erledigen, einige Passkopien für die nächsten Visa machen und einen wichtigen Eilbrief nach Isfahan und unsere Postkarten aufgeben. Schnell…nach 7 Stunden und 18 Minuten haben wir es geschafft. Dafür wissen wir nun Bescheid, dass die Verwandtschaft des Postvorstehers in Hamburg und Berchtersgaden lebt,er zwei Söhne und eine Tochter hat, diverse Hände werden geschüttelt, unzählige Fotos geschossen und Telegram-Adressen ausgetauscht. Eigentlich hat nur noch der Tee gefehlt!

Fix und fertig rollen wir zum nächsten Fixpunkt, der Autowäsche – ein sine qua non für Turkmenistan – nach einer weiteren Stunde glänzt TINKA wie neu; auch Toralf muss noch in den Service – gehen doch Gerüchte um, dass der Grenzübertritt frisch rasiert um einiges unproblematischer sein kann. Wie könnt’s anders sein, auch im Friseursalon gibts erst Mal Tee, danach wird die Frisur mit viel Liebe (und Zeit) wie ein Kunstwerk geschaffen – ein Akt, den sich auch die Freunde des Friseurs nicht entgehen lassen und selbstverständlich wird auch dieses Geschehen fotografisch festgehalten. Erschöpft lassen wir uns ein letztes Mal in einem iranischen Restaurant verwöhnen, bevor wir uns in Richtung Grenze aufmachen.

Der Grenzübertritt aus dem Iran ist problemlos und koordiniert und, wen wundert’s, bevor sich das Grenztor hinter uns schliesst, kommt ein Grenzbeamter mit einem Sack Kirschen für uns zu TINKA gerannt – Iran, so haben wir dich und deine Menschen kennen- und lieben gelernt!

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