Reise

Ein Stinkefinger als Willkommensgruss

Als wollte uns das Wetter mit unserer Rückkehr versöhnen, laufen wir bei schönstem Wetter in den Hafen von Venedig ein. Während dem sich die meisten anderen Reisenden über die vierstündige Verspätung unserer Fähre im Hafen von Igoumenitsa mehr oder weniger lautstark genervt hatten, waren wir irgendwie froh um jede geschenkte Stunde. Die vergangenen Tage in Griechenland haben wir an verschiedenen einsamen Winterstränden genossen, haben Drachen steigen lassen, im Sand gebuddelt, Muscheln gesucht, Burgen bestiegen. Und gut gegessen. Carpe diem – jede Minute probieren wir ganz besonders auszukosten, sogar das unfreiwillige nächtliche Familienbett zu viert auf 140 Zentimeter fühlt sich schön an. Wir wollen nicht zurück, das Ende unserer fantastischen Familienreise ist so greifbar nahe. Die Kinder fragen immer wieder, wann wir denn nach „dem Besuch“ in der Schweiz weiterreisen und erklären jedem, dass sie bald wieder zurück in den Iran möchten.

Für die Fährenüberfahrt haben wir uns entschieden, als die Heizung ausfiel und die Wetterverhältnisse in Osteuropa eher winterlich waren. Und der Entscheid war gut. Nach einer entspannten Überfahrt kommen wir morgens erholt in Venedig an. Die Stadt ist aussergewöhnlich leer, am Morgen hat es kaum Touristen. So kommen wir in den besonderen Genuss, all die Gässchen und Brücken fast für uns alleine zu haben, die Einheimischen gehen ihren Tätigkeiten nach, kaufen auf dem schwimmenden Markt ein. Dem ganzen Rückkehrschmerz zum Trotz müssen wir eingestehen, dass die Cucina italiana doch einfach nicht zu toppen ist. Wir schwelgen in köstlichen Cicchetti mit einem Aperol Sprizz, die Kinder schlecken ihre Gelati. Was für ein Genuss!

Die grossen Fahrdistanzen gibt es nicht mehr, kaum den Motor angelassen, sind wir in Padua. Es fällt auf, dass wir unsere Stellplätze wieder deutlich sorgfältiger auswählen müssen, Autoeinbrüche gehören hier offenbar zur Tagesordnung. Nach einem ausgedehnten Spielplatzbesuch sind die Kinder motiviert für Kultur. Wir schlendern gemütlich Richtung Altstadt, als wir erstaunt unsere Namen hören. Tatsächlich, eine von Karins Arbeitskolleginnen aus dem OP, ebenfalls auf Padua-Tour. Was für ein Zufall, der aber komplett surreal wirkt – unser erster Direktkontakt mit „der alten Welt“!! Aber zum Glück ein so erfreulicher!

Weiter gehts nach Verona, wo uns nun das schlechte Wetter einholt. Bei strömendem Regen besichtigen wir die Stadt, die aber nichtsdestotrotz ihren Charme zeigt. Ach ja, ein Opernbesuch in der Arena steht auch sein Jahren auf unserer Bucket-List – schaffen wir es diesen Sommer mal? Wir staunen immer wieder, wie unsere so quirligen Kinder plötzlich mäuschenstill und geduldig sein können, wenn es um die Besichtigung von Kirchen geht. Richtig ehrführchtig besichtigen sie mit uns verschiedene Gotteshäuser. Besonders die Reliquien faszinieren sie – da kommen noch ganz, ganz viele Fragen auf uns zu.

Eigentlich hatten wir den Besuch von Bergamo und Como noch geplant, der Wetterumschwung nimmt uns aber etwas die Lust. Ausserdem streiten Julian und Tabea nun plötzlich dauernd, und das zerrt an unseren Nerven. Vermutlich merken sie, dass unsere Stimmung auch nicht mehr die allerbeste ist und es überträgt sich auf sie. Ein Telefonat mit unseren Freunden, die jetzt doch so nahe sind, lässt uns nun doch so etwas wie Vorfreude (oder gar Heimweh?) spüren – wir haben sie vermisst. So entscheiden wir, vor dem angekündigten grossen Schnee die Rückreise durch den Gotthard unter die Räder zu nehmen. Wir fahren zeitlich so, dass wir möglichst kein Verkehrshindernis auf der Autobahn sind. Nach Mitternacht queren wir den Gotthard. 17km lang werden wir, da wir lediglich 65kmh statt der erlaubten 80kmh fahren können, dauerangehupt. Kurz nach dem Tunnelausgang überholt uns die gestresste Seele, um mit Absicht eine Vollbremsung wenige Meter vor uns hinzulegen; wir können knapp bremsen. Als erster Willkommensgruss in der Schweiz wird uns der Stinkefinger gezeigt. Was für ein herzlicher Empfang!

3 comments

  1. Ihr Lieben,
    herzlich willkommen zurück! Schön dass Ihr wieder zuhause seid. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen!
    Bis bald Susanne und Ruedi

    1. Liebe Susle, lieber Ruedi
      Wir wären nicht wir, wenn wir nicht schon wieder weg wären 😉 sind schon wieder fast 1000km weiter östlich. Aber ab 1. März sind wir definitiv wieder zurück und freuen uns auch sehr, Euch mal wieder zu sehen!
      Bis gli,
      Karin & Toralf

      1. Dann bis gly emal , häbets guet! Grüessli

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