Reise

Türkei ade, Iran hello

Wir machen uns auf, den letzten Abschnitt unserer Türkei-Reise unter die Räder zu nehmen und begeben uns auf den Weg zum Van-See, mit seinen 3500km2 der grösste See der Türkei. Die Landschaft wird weiter und weiter, ist aber nun über längere Strecken recht monoton. Je weiter östlich wir kommen, desto präsenter ist das Militär, wir passieren immer wieder Kontrollposten. Diese Gegend ist für uns wenig einladend, die Städte und Dörfer, an welchen wir vorbeifahren, grau und eher trist.

Ein Gewitter bricht über uns los, das sich über mehrere Stunden hält, es schüttet wie aus Kübeln und blitzt in einem fort. Wir sind müde, hungrig und wollen endlich stehen, aber aufgrund des Unwetters ist die Orientierung ausserhalb der Strasse schwierig; wir finden über 2 Stunden einfach keinen auch nur einigermassen vernünftigen, sicheren Platz und geraten in die Dunkelheit, was wir wenn immer möglich vermeiden. Zudem scheinen die massiven Regenfälle auch noch die Stromversorgung ausgehebelt zu haben, alles ist dunkel, was das Ganze auch nicht einladender macht. Die Kinder hören zum 6. Mal die CD vom kleinen König, da wir am Morgen vergessen haben, sie gegen eine neue auszutauschen – wir können nun alle Lieder auswendig. Schliesslich finden wir eine kleinere Tankstelle, wo wir uns zwischen grosse LKWs stellen dürfen.

Der nächste Abschnitt ist landschaftlich wieder sehr schön, vor uns erstrecken sich weite Ebenen, in der Ferne tauchen verschneite Schneeberge auf. Die hohe Militärpräsenz und auch die vielen stacheldrahtgesäumten Mauern und Häuser geben Zeugnis des kurdisch-türkischen Konfliktes. Irgendwie seltsam, nun so nahe an Orten zu sein, von denen man im Rahmen von Nahostnachrichten gehört, aber verständlicherweise keinerlei Bezug hatte. Wieder einmal mehr wird Geschichte lebendig, bekommt Gesichter und Stimmen.

Irgendwann taucht der Van-See auf – auch hier wieder: eine unglaublich schöne und beeindruckende Erscheinung! Ein Blau von einer nie gesehenen Tiefe, die rosa blühenden Mandelbäume und der tiefverschneite Ararat setzen dem Kitsch das Häubchen auf! Wüsste man es nicht besser, glaubte man sich am Meer. Ach, wie sehr locken doch auch diese Berge hier – der Ararat soll ein sehr schöner Skitourenberg sein…Wir finden ein schönes Plätzchen direkt am, respektive die Kinder mal wieder im Wasser.

Der Van-See weist neben seiner Grösse eine weitere Besonderheit auf, er ist basisch; das Wasser fühlt sich seifig-klebrig an, das Wasser schmeckt exakt wie die Natronlauge, die wir zum Laugen-Brezen-Backen brauchen. Ausserdem kommt von hier die Van-Katze; ein Katzentier mit einem blauen und einem grünen Auge, das gerne schwimmt – ob dies einfach ein guter Touristengag ist, oder ob es das Tierchen wirklich gibt – wir finden es nicht heraus; wir begegnen lediglich unzähligen streunenden Hunden.

Die ganze Nacht trommelt der Regen aufs Dach, am nächsten Morgen stehen wir mal wieder im Wasser, trotz Allrad kommen wir nicht aus der matschigen Senke hoch. Wie von Zauberhand ist plötzlich die Dorfjugend da und hilft beim Unterlegen von Steinen und Ästen, sodass TINKA wieder Boden unter die Räder bekommt.

Wir verbringen einen weiteren Tag am und auf dem See und entscheiden schliesslich ganz spontan, hier in Van unser beider Geburtstag mit einem Hotelaufenthalt zu feiern. Wir haben Glück und erwischen ein wirklich schönes Hotel, für unseren Geschmack etwas edel, aber so fein, dass über das Missverständnis der Kinder, die beleuchtete Springbrunnenlandschaft in der Lobby sei ein Kinderbad, mit einem „no worry“ hinweggesehen wird und wir mit warmen Chocolate-Cookies und Tee bewirtet werden. Danach geht’s ins Schwimmbad, Hammam und türkisches Dampfbad – einmal mehr Kinder herzlich willkommen.

Tiefenrein und ausgeschlafen machen wir uns am Folgetag zeitig auf zur türkisch-iranischen Grenze.

Dieser Grenzübertritt bereitet uns schon seit Tagen Sorgen, wird doch seit 2-3 Wochen von iranischer Seite her plötzlich ein seit langem bestehendes, aber nie angewandtes Gesetz zumindest bei Motorradfahrern rigoros durchgesetzt. Dieses besagt, dass Motorräder mit einem Hubraum >250cc und Fahrzeuge >3000cc sowie alle amerikanischen Marken nicht ins Land gebracht werden dürfen. Betroffenen Motorradfahrern begegnen wir schon in Kappadokien und wir sind besorgt, wie konsequent es bei andern Fahrzeugen angewandt wird und ob wir überhaupt in den Iran einreisen können. Sollte dies nicht möglich sein, wäre das für uns äusserst schwierig; einerseits wegen der Transitvisa in Turkmenistan, der fehlenden Visa in den Umgehungsländern und ausserdem kommen uns Götti und Gotti im Iran besuchen! Aufgrund dessen entscheiden wir uns gegen unsere ehemals gewählte Route mit dem üblichen Grenzübergang Dogubayazit im Nordosten und fahren nun doch wieder Richtung Südosten zu einem kleinen Grenzübergang, zu dem wir so gut wie keine Infos finden und nicht mal sicher wissen, ob dieser für Overlander offen ist.

Die Strasse zum Grenzübergang ist ganz entgegen unserer Erwartungen in sehr gutem Zustand und breit. An einer Quelle füllen wir das letzte Mal in der Türkei Wasser auf, die Kinder werden mal wieder mit Süssigkeiten beschenkt und zu guter Letzt werden wir von einem frechen Schäfershund verspottet, der über längere Zeit vor uns den Berg hochrennt.

Auf türkischer Seite des Zolls finden sich grosse, moderne Gebäude, die an einen Flughafen erinnern, sogar einen – verwaisten – Duty Free Shop gibt es. Einmal mehr werden wir als Familie getrennt, Papa im Auto, Mama mit Kindern durch ein langes Gebäude. Diesmal haben wir aber vorgsorgt, eine grosse Tasche mit allem nötigen ist mit dabei – welche aber gar nicht benötigt wird, dauern die Ausreise-Formalitäten maximal 10 Minuten. Hiernach werden wir den Iranischen Behörden übergeben. Es ist wie ein Übertritt in eine andere Welt: wo vorher breite, asphaltierte Strassen nun ein kleiner staubiger Platz umgeben von einem Halbdutzend Containerbuden, statt elektronischer Barriere ein schief in den Angeln hängendes Tor, durch welches TINKA grad mal so reinpasst. Während Toralf die Formalitäten erledigt, müssen auch hier Mutter und Kinder im Auto bleiben – lediglich für eine Gesichtskontrolle werden wir in eine Baracke reingebeten, die ganz ernsthaft vonstatten geht.  Eigentlich erstaunlich, da Karin die Haare im Pass offen und beim Grenzübertritt bedeckt mit Hijab sowie einer grossen dunklen Sonnenbrille und die Passfotos der Kinder 6 Wochen alte schlafende Säuglinge zeigen, die selbst wir kaum auseinanderhalten können.

Die Inspektion von TINKA ist kurz, lediglich unser Elfen-Sirup (Kräutersirup aus Bern) wird verdächtigt, Whisky zu sein. Glücklicherweise kann Toralf den Beamten davon überzeugen, diesen nicht zu konfiszieren. Das wäre mehr als schade gewesen!

Nach einer guten Stunde ist der Spuk vorbei. In dieser Zeit haben wir gerade mal ein anderes Fahrzeug beim Grenzübertritt beobachtet – es schein tatsächlich ein kleiner Zoll zu sein.

Nachdem wir alle unsere Dokumente zusammen haben, wird das zweite, zermackte und verbogene Tor quitschend geöffnet, durch das wir wiederum ganz knapp durchpassen. Wir konzentrieren uns dermassen auf das enge Tor und die uns umringenden Menschen auf der iranischen Seite, dass wir nicht darauf achten, dass auch hier mal wieder eine Leitung tief hängt – respektive gehangen hatte…wir sind im Iran!

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