Reise

Affentheater an der türkischen Mittelmeerküste – in grossen Schritten auf Europa zu

In den Nachrichten erfahren wir, dass es während der letzten Nacht in der Provinz Elazig zu einem schweren Erdbeben gekommen sei. Einmal mehr haben wir Glück gehabt. Nach unserer ursprünglichen Reiseplanung wären wir zum jetzigen Zeitpunkt so ziemlich genau in dieser Gegend gewesen. Dieses Ereignis gibt uns Anlass zum Rückblick und auch zur Dankbarkeit, dass wir auf dieser Reise in jeglicher Hinsicht mit einer riesigen Portion Glück bedacht waren. Allem vorab unsere solide Gesundheit – bereits Zahnschmerzen hätten uns je nach Gegend vor eine grössere Herausforderung stellen können. Bis auf die lästige und langwierige Giardien-Infektion und zwei weiteren Magen-Darm-Geschichten vor allem bei uns Erwachsenen hatten wir keinerlei gesundheitliche Probleme  Nicht einmal eine ordentliche Erkältung hatten wir. Auf die beiden Verletzungen von Julian und Tabea hätten wir natürlich verzichten können; die Handverletzung von Julian hätte böse enden können, ist aber erfreulich gut verheilt.

Auch mit TINKA hatten wir insgesamt keine schwerwiegenden Zwischenfälle. Der Unfall in Pakistan hätte viel schlimmer enden können, bis auf einen grösseren Blech-/Autoschaden am gegnerischen Auto ist nichts passiert. Ausserdem waren wir zu diesem Zeitpunkt in einem Land unterwegs, wo wir als Ausländer von den Behörden äusserst zuvorkommend behandelt worden sind. Wir dürfen uns nicht vorstellen, wie eine solche Situation unter Umständen in Indien geendet hätte. Die Ausfälle und Reparaturen haben sich stets so ergeben, dass die Reise oder gar wir nie gefährdet waren. Der gebrochene Dachträger, die defekte Lichtmaschine, der Riss im Pneu und der Heizungsausfall waren mühsam – es war aber alles zu beheben und glücklicherweise auch so, dass uns nicht ein Riesenloch in die Reisefinanzen entstanden ist. Dutzende von umgekippten, brennenden und zu Schrotthaufen verunfallten Lastern haben wir passiert – mehr als Umwege oder Wartezeiten hat es uns nicht verursacht. Auf unserer Fahrt nach Isfahan ist unmittelbar vor uns eine Autobahnüberführung auf unsere Spur heruntergekracht.

Als wir in Pakistan unterwegs waren, ist es auch dort zu einem Erdbeben gekommen, gar nicht so weit von unserem damaligen Aufenthaltsort entfernt. In den Tagen unseres Aufenthaltes in Islamabad und Lahore wurde ebendort der Ausnahmezustand aufgrund einer Dengue-Fieber-Epidemie verhängt. Die Situation im Iran hat sich während unserer beider Aufenthalte, sowohl im Mai durch den Drohnenabschuss und noch stärker Anfang Januar durch die Ermordung von Soleimani dramatisch zugespitzt.

Und last but not least hatten wir ein Riesenschwein mit dem Wetter: während eines ganzen Jahres hatten wir insgesamt ca. zehn Regentage, die allermeisten davon nicht mal durchgehend. Wir hatten nicht einmal mit vereisten Strassen zu kämpfen, ein Umstand, vor dem wir sehr Respekt hatten. Die Hitze vor allem im Koffer hat uns während den Sommermonaten mehr als einmal zu schaffen gemacht und wir hätten uns eine Klimaanlage statt eines abgeratzten Ventilators gewünscht, aber glücklicherweise lieben wir es alle heiss – es darf nachts aber deutlich unter 35°C sein.

Ganz diesem „Guten-Wetter-Motto“ entsprechend, stossen wir nun an die östliche Mittelmeerküste. Und uns empfängt der Frühling! Ruckzuck sind Tisch und Stühle rausgeräumt und wir geniessen endlich wieder ein Frühstück draussen in der Sonne, vor uns das tieftürkisblaue Meer.

Wie fast immer bleiben wir unserer Reisedevise treu. So wenig planen wie möglich, soviel wie nötig. Und da wir alle inzwischen wieder so richtig im Kultur-Fieber sind, haben wir grosse Lust, den verschiedenen Ausgrabungsstädten nachzugehen. Die Dichte hiervon in der Türkei erstaunt und erfreut uns immer wieder.

Und so haben wir das grosse Privileg, unsere TINKA quasi direkt an den Anfang der säulen-gesäumten Hauptstrasse parken zu können, um bei schönstem Wetter nach Lust und Laune in den Ausgrabungen von Kastabala / Hieropolis herumzustromern. „Ein Affentheater, ein Affentheater!!“ – die Kinder haben das Amphitheater entdeckt. Julian und Tabea können kaum genug bekommen von Säulen, Bögen, Kapitellen und vor allem Julian fragt, bis uns der Kopf schwirrt  – wie schön, können auch sie sich so für die Antike begeistern. Ob sie in der Schule wohl noch die Möglichkeit haben werden, Griechisch und Latein zu lernen?

Karatepe, ein archäologisches Freilichtmuseum mit neo-hethitischen Fundstücken, ist so gut in den dichtbewaldeten Hügeln des gleichnamigen Nationalparks versteckt, respektive so schlecht ausgeschildert, dass wir schon fast umdrehen, als wir endlich einen kleinen, unscheinbaren Wegweiser entdecken. Die Aussicht auf den Ceyhan Gölü (See) ist grandios und wir verbringen auch hier einen entspannten Nachmittag mit einem Streifzug durch „alte Steine“.

Anemurium haut uns um. Durch die kurz aufeinanderfolgenden Zeitumstellungen sind wir immer früh auf den Beinen. Nach einer kurzen Fahrt über ein kleines Holpersträsschen – selbstverständlich mal wieder mit tiefhängenden Leitungen, erreichen wir frühmorgens diese Ausgrabungsstätte. Auch hier sind wir weit und breit die einzigen Menschen. Das Areal ist riesig, und es ist noch so viel erhalten; riesige Stadtmauern ziehen sich die Hügel hoch, wo sich auch die Nekropole mit über 350 Gräbern erstreckt; die Lage direkt am Meer ist atemberaubend schön! Auch hier können wir nach Herzenslust herumstromern, uns in den alten Bädern und im Amphitheater in alte Zeiten zurückversetzen lassen. Gleichzeitig tut es in der Seele weh, zu sehen, wie all die alten Strukturen dem Verfall preisgegeben werden. Die Kinder wiederholen das Spiel, welches sie im Zeugmamuseum in Gaziantep interaktiv spielen konnten: „Mosaik-Ausbuddeln“. Riesige Mosaike liegen unter Sand und Dreck, jeder läuft drüber, sie bröckeln langsam dahin, die Bauten zerfallen und stürzen in sich zusammen – einmal mehr ein Stück Kultur, das einfach so verschwindet. Da versickern Unmengen Gelder für irgendwelche Machtansprüche und Kriegsspiele – was bleibt?

Schöne Stellplätze gibt’s hier wie der sprichwörtliche Sand am Meer – zur Touristensaison mag das ganz anders ausschauen. Aber sobald wir die unvorstellbar hässlichen, zur Winterzeit geisterstadt-haften Hotelbunkeranlagen von Alanya und Antalya hinter uns lassen, treffen wir auf authentische Hafenstädchen, wo auch ausserhalb der Saison das Leben seinen Lauf nimmt. Es ist schön, zu dieser Jahreszeit am Strand entlang zu schlendern, die Fischer zu beobachten und mit Einheimischen im Restaurant zu sitzen und die einfache lokaltypische Küche auszuprobieren.

Eigentlich wollten wir noch am Nachmittag übersetzen – von dem asiatischen Teil der Türkei auf den europäischen. Aber wir zögern es hinaus, machen einen Strandspaziergang und gehen nochmals essen. Unsere letzte Nacht in Asien.

Prachtswetter empfängt uns zur Überfahrt nach Ecceabat, ein letzter Besuch des trojanischen Pferdes. Die Möven sind hungrig wie eh und je, alles verläuft unspektakulär. Mit einem Glas heissen Cay stossen wir auf unseren letzten Abschnitt unserer Reise an – Europa hat uns wieder!

4 comments

  1. Hallo Tinka + Crew
    Europa hat euch also wieder! Hoffentlich geht auch der letzte Teil eurer Reise gut und ihr kommt möglichst ohne Zwischenfälle nach Hause.
    Hier müsst ihr euch wieder wie an ein neues Leben gewöhnen, was vielleicht nicht ganz so einfach sein wird. Diese Reise und vor allem die wahnsinnig vielen Eindrücke werden euch vermutlich noch ganz lange nachwirken.
    Wir freuen uns, wenn wir euch hier wieder mal gesund in die Arme nehmen können. Wir sind gespannt darauf, wie sich v.a. Tabby und Julian entwickelt haben. Nehmen an sie haben riesige Entwicklungssprünge gemacht.
    Yolanda fragt gerade, wann wir den roten Teppich ausrollen können!
    Ganz herzliche Grüsse aus Thun
    Yolanda und Hans

    1. Liebe Yolanda, lieber Hans!
      Tatsächlich, Europa hat uns wieder – und es fällt uns nicht leicht.
      Wir freuen uns aber auf ein Wiedersehen mit Euch!
      Bis bald,
      Eure KTTJ

  2. Liebe Weltreisende.
    willkommen zurück in der Schweiz. ihr seid bei der Durchfahrt in Buchsi gesehen worden.
    glg karl

    1. Ha, kaum zurück, wird man erspäht…hättest mal gewunken!
      Herzliche Grüsse,
      KTTJ

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert