Reise

Es geht heimwärts – Rückreise durch Pakistan

Ursprünglich war geplant, TINKA in Mumbai zu verschiffen. Von diesem Plan sind wir abgekommen; zu abrupt wäre uns der Wechsel vom bedächtigen Reisen, dem einfachen Leben, der Wärme gewesen. Ausserdem waren die Absprachen mit den Schiffsgesellschaften äusserst vage und mühsam aufgrund der aktuellen weltpolitischen Situation. Und, für uns ganz wichtig: wir haben während unserer Zeit in Pakistan ein gutes Verständnis und „Bauchgefühl“ für das Land bekommen. Während wir uns bei unserer Abreise einen Transit durch Belutschistan nie und nimmer hätten vorstellen können und darum auch den Umweg über China gewählt haben, kommt diese Möglichkeit bereits während dem Reisen durch Pakistan immer wieder zur Sprache. Nachdem wir auch mit mehreren Insidern aus Polizei und Militär sprechen können, entscheiden wir uns schliesslich, genau diesen Transit durch Pakistan in den Iran zu wagen; die Sicherheitslage scheint momentan stabil. Dank der Grosszügigkeit des Arbeitgebers von Toralf haben wir uns zuvor aber noch etwas erholen und uns auch entsprechend auf diesen Transit vorbereiten können. Wir sind uns bewusst, dass da eine anstrengende Woche auf uns zu kommt, aber guter Dinge, dass wir auch diese meistern werden.

Zurück in Amritsar, nahe der Grenze zu Pakistan, holt uns hier der Herbst ein – deutlich kühlere Temperaturen und Nebel am Morgen. Wir machen uns auf zur Grenze und geraten gleich in den Stau. Dort angekommen, werden wir hin und her geschickt, unsere Papiere mehrfach kontrolliert. Gegen 15Uhr stehen wir offensichtlich endlich vor dem richtigen Tor, erneut werden die Pässe zweimal begutachtet, die Beamten verschwinden zwischenzeitlich, beraten sich offensichtlich mehrmals, um uns schliesslich mitzuteilen, dass das Tor gleich schliesse. „You – back –  Amritsar – Hotel!“, „Tomorrow 10 o clock!“ – Diskussion sinnlos. Eine weitere Machtdemonstration indischer Beamter, die wir inzwischen so zur Genüge kennen. Am nächsten Morgen stehen wir pünktlich vor dem richtigen Tor, der Zollbeamte schlendert um 10:35 daher. Einmal mehr müssen wir unsere Pole-Position in der von den Indern offensichtlich so geliebten wie auch nie eingehaltenen „Queue“ hart verteidigen; selbst in der Koje beim Abtasten durch die Sicherheitskontrolle drängt sich jemand zwischen Tabea und Karin rein. Uns geht diese rücksichtslose und egoistische Art, die uns in den letzten Wochen immer und immer wieder begegnet, dermassen auf den Keks, dass wir das erste Mal aufrichtig froh sind, ein Land und seine Menschen zu verlassen. Vieles war wunderschön und eindrücklich in diesem Land, aber mit ganz vielem konnten wir uns nicht anfreunden oder es zumindest ansatzweise verstehen.

Auf pakistanischer Grenzseite werden wir mit einem freundlichen „welcome to Pakistan“ und einem herzlichen Lachen begrüsst. Die Grenzformalitäten sind professionell und schnell erledigt – jetzt geht’s also ab auf den Nachhauseweg!

Schnell sind wir in Lahore, das uns mit seinem wuseligen Verkehr und dem auf der Strasse stattfindenden Leben willkommen heisst. Wir fühlen uns sofort wieder wohl – gerne würden wir uns noch etwas ins Gewühl stürzen, haben aber die Zeit im Nacken, da wir unbedingt vor Freitag, Quetta, die Provinzhauptstadt Balochistans erreichen wollen, ansonsten wir dort für drei Tage festsitzen, weil von Freitag bis Sonntag die Aemter geschlossen sind und wir die Durchfahrtsbewilligung abholen müssen. So besorgen wir uns in Windeseile über 12kg Gemüse und Früchte – die nächste Woche wird ein Einkauf nicht mehr möglich sein und da wollen wir gerüstet sein. Wieder sind wir überwältigt von der Frische der Produkte und den niedrigen Preisen – gerade mal umgerechnet sieben Euro für eine Unmenge an frischem Essen! Etwas weiter werden Fische angeboten, wir wählen den allerkleinsten aus – knapp 1,5kg, enschuppt, ausgenommen und filetiert für 1,5 Euro, ein fröhliches Lachen inklusive. Hier sind wir wieder in einem Land, wo wir das Portemonnaie einfach offen hinhalten können, wenn wir den Preis nicht verstehen – eher würde noch was reingelegt, denn genommen.

Nun gilt es, nochmals zu tanken und Geld für die Rückfahrt abzuheben. Das erstere ist erwartungsgemäss problemlos, das zweite entpuppt sich als nervenaufreibendes Geduldsspiel.

Wir sind wieder auf Fahrt – und es fühlt sich so gut an! Glücklicherweise können wir den ganzen Tag durchfahren und gelangen in keine Polizeisperre. Die allermeisten Überlandreisenden machen den Weg in die Gegenrichtung; vom Iran nach Indien und werden entsprechend von der Grenze im Iran bis nach Lahore eskortiert. Dies macht im Bereich des unsicheren Balochistan bestimmt Sinn, ist weiter unten aber mühsam und nervenaufreibend. Wir haben das Glück, dass alle Polizeipatroullien, von denen es reichlich hat, bei unserer Durchfahrt beschäftigt sind: umgekippte Laster, geperrte Fahrbahn, Unfälle…ausserdem fällt unsere alte TINKA kaum auf, höchstens durch Toralfs gesitteten Fahrstil. Somit schaffen wir es heute tatsächlich bis nach Multan, obwohl wir erst spät losgekommen sind. Es gilt nun einen Schlafplatz zu finden, der einerseits sicher ist, andererseits aber doch so versteckt, damit wir nicht mitten in der Nacht von der Polizei aufgegriffen werden. Wieder einmal dürfen wir auf die Loyalität von den LKW-Fahrern zählen; auf einem Truckstopp schliessen sie TINKA komplett in ihre Mitte ein. Besser könnte es nicht sein: geborgen wie in der Mitte einer Schafherde, sind wir so von allen Seiten geschützt und gleichzeitig komplett getarnt. Trotzdem ist die Nacht nur mässig erholsam, wir sind angespannt und mit dem Ruf zum Morgengebet machen wir uns durch dicksten Nebel auf den weiteren Weg.

Der Nebel ist uns Freund und Feind zugleich. Er bietet uns bis fast gegen Mittag Tarnung, das Fahren im pakistanischen Verkehr ist bereits bei normaler Sicht herausfordernd, bei Nebel aber äusserst anstrengend, da geschätzt lediglich 30% der Verkehrsteilnehmer irgendeine Art Beleuchtung oder Reflektoren an ihrem Fahrzeug haben – alle andern vertrauen offensichtlich auf Allah.

Bei dem Bankomaten Nummer 24 haben wir endlich Glück und können noch etwas Geld ziehen. Am Vortag respektive in der Nacht sind wir fast verzweifelt, da unsere Bargeldbestände durch das Tanken und die Mautgebühren auf ca. 7 Euro zusammengeschrumpft sind.

Auch heute erreichen wir unser Tagesziel, Sukkur, und beschliessen, noch etwas aus der Stadt heraus zu fahren, um erneut einen LKW-Platz anzusteuern. Auf der riesigen Stadtbrücke ist im Spätnachmittagsverkehr ein Zuckerrohr-Laster umgekippt, jetzt geht’s nur noch im Schritttempo vorwärts. Die Insassen eines PKWs auf der Nebenspur winken uns immer wieder fröhlich zu und wir ihnen zurück. Sie möchten unbedingt ein Selfie machen, der Stop’n’Go-Verkehr lässt uns davon absehen – sie hätten da gar keine Hemmungen. Nach dem Stauende entsprechen wir aber dem Wunsch und fahren kurz raus. Die Gruppe junger Männer ist begeistert, die Kinder und Toralf werden zu Shootingstars. Ein jeder von ihnen möchte uns am liebsten mit nach Hause nehmen – Ameed bittet inständig, uns zu seinem Baba bringen zu dürfen. Unserem Bauchgefühl vertrauend, sagen wir spontan zu, nichts ahnend, worauf wir uns einlassen.

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