Reise

Daheim bei Freunden

Ameed lotst uns kreuz und quer durch Sukkur zum Hause des „Baba“, was soviel wie „Vater“, aber auch „Onkel“ heisst, aber nicht zwingend auf einen verwandtschaftlichen Grad schliessen lässt. Einmal mehr werden wir in mehrere Strassen geführt, die eng sind und vor allem tiefhängende Kabel haben. Beim dritten Versuch klappt es endlich und wir sind auf der Haus-Zufahrtsstrasse – selbstverständlich auch wieder mit tiefhängenden Kabel. Ein Empfangskomittee von gegen zwanzig Männern kommt uns entgegen, alle winkend und gestikulierend. Wie so oft, lassen sie es sich nicht nehmen, Karin vom Dach zu scheuchen und die – ach so männliche –  Arbeit des Kabelanhebens auf dem Dach zu übernehmen. Es gibt aber Dinge, da zählt die Erfahrung einfach mehr als das Geschlecht, und so kommt , was kommen muss: ein Kabel bleibt am Dachfenster hängen, das Fenster zersplittert bevor das Kabel schliesslich reisst. Wie immer: no Problem!

Nun ja, jetzt sind wir da, der Schaden auch – jetzt warten wir mal ab, was kommt. Eine Menschenmenge schart sich um uns, wir werden in ein grosses Haus geleitet, wo wir von Sana, der Tochter des Gastgebers herzlich begrüsst werden. Toralf entschwindet sofort in den Männerkreis, die Kinder spielen mit dem unreinen aber nicht weniger geliebten Hundewelpen, Karin verbleibt mit den Frauen im Hause, sie wird in das Schlafgemach der ältesten Tochter geführt, wo sie sich hinlegen und ausruhen soll, Hausschuhe – natürlich vier Nummern zu klein – werden gebracht. Inzwischen in dieser Kultur deutlich mehr zuhause, erlaubt sich Karin, den Wunsch zu äussern, das Haus anzusehen. Von der Dachterasse sieht man auf das Nachbargrundstück mit dem Gasthaus der Familie – dort wird offensichtlich Politik gemacht und Geschäfte abgeschlossen; es sitzen viele Männer im Kreis. Den Frauen im Haus ist der Blick über die Dachmauer nicht gestattet. Die Aufnahme in die Familie ist dermassen herzlich und die Kommunikation durch den Umstand, dass die Tochter des Hauses Englisch studiert hat, einfach, sodass wir uns innert Kürze richtig wohlfühlen. Offensichtlich haben wir es mit einer sehr wohlhabenden und einflussreichen Familie zu tun – vor allem aber auch mit einer sehr grossen! Nach und nach treffen die Familienmitglieder ein, es sind elf Geschwister. Wir werden in einer rührenden Zeremonie mit Gastgeschenken beschenkt; das Familienoberhaupt setzt Toralf das Sindhi Topi auf und bindet ihm den Ajrak um. Auch Karin erhält einen lokaltypischen Schal. Zum Glück haben wir noch ein Schweizer Taschenmesser, worüber sich der Hausherr sehr freut. Sie wollen uns zum Essen ausführen und uns die Stadt zeigen. Auch gehören der Familie verschiedene Schiffe am Indus – für eine abendliche Bootsfahrt ist es uns aber definitiv zu kühl.  Somit fährt uns ein Sohn der Familie kreuz und quer durch die Stadt – definitiv die Hosen an hat aber Sana, das ist auch den ganzen Abend über zu spüren. Auf die Frage nach dem Alter unseres jungen Chauffeurs, respektive seit wann er denn denn Führerschein habe, wird uns lachend erklärt, dass er keinen habe, dies aber kein Problem sei, da anhand des Autokennzeichen seine Herkunft ersichtlich und somit jede Bestrafung hinfällig sei. Tatsächlich steht auf dem Nummerschild „PRESIDENT“, wir fragen nicht weiter nach – andere Länder, andere Sitten.

In besterAbsicht werden wir zum Essen in den „Pizza Hut“ ausgeführt – ein Übel, das es wohl in jeder grösseren Stadt dieser Welt zu geben scheint. Wie bereits bei Mc Donalds gesehen, gilt dieses Restaurant als besonders modern und edel – wir finden es langweilig und geschmacklos, aber wenigstens gibt es saubere Toiletten und einen Indoorspielplatz, wo sich die Kinder nach dem langen Fahrtag austoben können. Als nächstes finden wir uns in einer schicken Hotellobby wieder, wo es echten Cappuccino zu trinken gibt. Sana erzählt Karin ihre unglückliche Liebesgeschichte und wieder wird ein tiefer Einblick in diese Kultur gewährt. Auf der Heimfahrt richten wir uns darauf ein, bald zu Bett zu gehen, schliesslich sind wir seit über 17 Stunden auf den Beinen. Weit gefehlt, als wir nach Hause kommen, ist dort für uns aufgetischt. Die Familie entschuldigt sich unzählige Male für das schlichte Mahl, das aus diversen Schüsselchen und Tellern voller Köstlichkeiten besteht; alle stehen erwartungsvoll um den Tisch, lediglich der älteste Sohn isst mit – aus reiner Höflichkeit essen wir noch etwas Fisch, Hühnchen und Linsen – es schmeckt unglaublich gut, aber wir sind einfach satt.

Danach möchte uns der älteste Sohn unbedingt noch zu sich nach Hause zum Tee nehmen. Zum Glück schlafen unsere Kinder längst in TINKA, sodass wir ein gutes Argument haben, zu Bett zu gehen. Auch können wir uns durchsetzen, in TINKA und nicht im Gästezimmer, das das Ausmass einer Wohnung hat, zu nächtigen.

Der Vater lässt übersetzen, dass wir morgen unter keinen Umständen weiterreisen können, er möchte mit Toralf zur Jagd und uns sein Landhaus zeigen. Nur schwer können wir sie überzeugen, dass wir unbedingt rechtzeitig in Quetta sein müssen und auch früh losbrechen wollen. Wir werden so reich mit Proviant beschenkt, das wir alleine nicht zu TINKA tragen können: Honig, Früchte, Brot, Reis, mehrere Kilogramm Datteln, frische Eier…und einen weiteren Sack prallvoll schöner Erinnerungen an dieses Land und seine gastfreundlichen Menschen. Als Fremde sind wir gekommen, als Freunde ziehen wir weiter.

4 comments

  1. Liebe Karin, lieber Thoralf, ich lese Euren blog erst seit ein paar Wochen, er ist sehr schön geschrieben, das macht sicher auch ein bisschen Mühe! Viele Grüße aus Dresden, wenn Ihr mal wieder hier seid, solltet Ihr unbedingt unsere Gastfreundschaft geniessen!
    Daniela

    1. Liebe Dani, schön, begleitet Ihr uns! Gerne schauen wir mal was bei Euch rein – so richtig entspannt wie die letzten Male wirds aber nicht mehr bei unseren zwei Wilden!
      Wir senden euch liebe Grüße,
      KTTJ

  2. Chume nümm drus…:-) Seit Ihr jetzt im Iran oder in Pakistan? LG

    1. Liebe Conni und andere Verwirrte 😉 wir reisen dem Blog natürlich voraus! Pakistan haben wir vor 3 Wochen hinter uns gelassen und sind mitten in die Unruhen und den drohenden Krieg in den Iran geraten, was uns viele beuruhigte Mails, Whatsapp, Anrufe, Telegrams beschert hat – deswegen die zwischengeschaltete Statusmeldung.
      Uns geht es aber bestens, abgesehen von der Bedrücktheit, bald zurück zu kehren müssen…
      Herzliche Grüße
      Karin & Co

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