Reise

Türkei – eine heruntergerissene Leitung und Einladung zum Tee

Angesichts der politischen Entwicklungen der letzten Zeit sehen wir diesem Grenzübertritt doch etwas mit Anspannung entgegen. Als erstes treffen wir auf kilometerlange Kolonnen von LKWs, deren Fahrer es sich mit Picknicktischen und Stühlen neben ihren Fahrzeugen bequem gemacht haben. Oje, wie lange wird das hier wohl dauern? Wir dürfen die LKW-Schlange aber passieren – es ist jedesmal ein Glücksspiel, als was wir einklassiert werden: LKW, Reisebus, Camper, PKW…

Die Kontrolle der Papiere geht zügig vor sich, wir werden nach kurzer Zeit zum nächsten Posten gewunken, wo drei Grenzbeamte darauf warten, das Innenleben von TINKA in Augenschein zu nehmen. Kaum erblicken sie Tabea, die am Fenster sitzt, geht ein Lachen über ihr Gesicht, ein Zöllner huscht davon, um gleich wieder mit Kuchen und Salzstangen für die Kinder zurückzukommen. Uns wird eine gute Reise gewünscht – wir sind nun in der Türkei! Was für ein schöner Start.

Auch in den folgenden Tagen erleben wir immer wieder äusserst  freundliche Menschen. Vor allem Tabea mit ihren blonden Haaren steht immer wieder im Mittelpunkt, was ihr oft nicht ganz so behagt. Immer wieder bekommen die Kinder Süssigkeiten geschenkt, einmal öffnet ein Tankwart sogar die Autotür, um unserer Tochter die – ziemlich sandigen – Füsschen zu küssen.

Da wir über Thrakien einreisen, entscheiden wir uns – trotz gemischten Gefühlen – den ehemaligen Schlachtfeldern von Gallipoli und heutigen Ruhestätte von über 300’000 Soldaten einen Besuch abzustatten.  Ein 33’000 Hektar umfassendes Gebiet wurde zum historischen Nationalpark erklärt – das Ganze ist äusserst weitläufig, sehr gepflegt und in wunderschöner Natur, meist mit Ausblick auf die Ägäis, gelegen. Ein informatives Museum schafft es, schlicht und ohne reisserisch-nationalistisch gefärbten Touch einen Eindruck über die Dimension und den Schrecken dieses Krieges zu vermitteln. Der Besuch einiger dieser Friedhöfe, wo so viele Männer ihre letzte Ruhestätte haben, hinterlässt Traurigkeit ob all dieser so sinnlos vergeudeter Leben.

Noch am Abend setzen wir von Eceabat nach Canakkale mit der Fähre über – die Kinder sind begeistert, TINKA kann auch schwimmen!

Da wir unbedingt Pergamon und Ephesos besichtigen wollen, lassen wir die Ausgrabungen bei Troja aus, wollen den Kindern aber unbedingt noch das Trojanische Pferd zeigen. Abends, beim Tagesrückblick kommt dieses nochmals ins Gespräch – Julian antwortet auf die Frage, woran er sich denn bei dem Holzpferd erinnere, promt mit „an die blaue Müllabfuhr“; so unterschiedlich sind die Wahrnehmungen.

Bevor wir uns weiter der Antike widmen wollen, steht ein Ausflug an einen schönen Strand an, von dem wir gehört haben. Die auf dem Navi alle gleich gross eingezeichneten Strassen werden kleiner und kleiner, ordentlicher Belag ist schon längst keiner mehr da. Wir sind froh, als nach längerer, einsamer Fahrt endlich wieder ein Dorf in Sicht kommt – da müssten wir es bald geschafft haben.

Ratsch, und wir haben eine Leitung heruntergerissen – die erste auf dieser Reise! Natürlich strömen von überall her Leute auf den Dorfplatz; in dem beschaulichen Dörflein tragen wir mit unserer Tat zur Abwechslung bei – ein wildes Palaver geht los.

Zum Glück hat Toralf sein Stromer-Werkzeug dabei und macht vom Dach von TINKA aus das Kabel wieder heile, derweil Karin sich mit dem zwischenzeitlich eingetroffenen Dorfchef unterhält. Wir werden zu Tee und Saft eingeladen, erfahren die Lebensgeschichte von Said – und treffen schliesslich kurz vor Sonneneingang am von uns angepeilten Strand ein. Es ist eindrücklich, wieviele schöne und einsame Fleckchen es doch noch gibt – einzig ein Schäfer begegnet uns dort am kommenden Morgen.

Auf der Weiterfahrt möchten die Kinder picknicken, so machen wir Zwischenhalt an einer Strandpromenade. Wir staunen, als wir dort Dutzende, in Reih und Glied stehende Tische mit Bänken und dazugehörige Grillstellen sehen, welche rege benutzt werden. Das Ganze mutet wie ein Volksfest an; überall rauchen die Grills, Tee wird gekocht und säckeweise Essen aufgetischt. Kaum sitzen wir, werden wir zu frischem Lahmacun, einem Teigfladen mit herzhaftem Hackbelag, eingeladen – einfach so! Noch häufig wird uns diese Herzlichkeit der Türken begegnen.

2 comments

  1. Es ist super, euren Weg verfolgen zu können. Herrliche Fotos auch! Gute Reise weiterhin und Küsschen den Kindern! OlderSister

    1. Liebe Oldersister(in law),
      Schön, von Euch zu hören! Im Moment sind wir quasi gestrandet, am Wasser des eindrücklichen Van-Sees, den wir eigentlich noch so gerne weiter erkunden möchten, aber andererseits wohl auch bald IM Wasser…es regnet mit kürzesten Unterbrüchen wie aus Kübeln.
      Herzliche Grüsse aus dem Nass,
      KTTJ

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