Nach unbeschwerten Tagen und einem traurigen Abschied von unseren Freunden machen wir uns auf den Weiterweg, als uns – über andere Reisende – die verwirrende Nachricht vom Tode Qessem Soleimanis erreicht. Verwirrend deshalb, da wir diesen Namen bisher noch nie bewusst wahrgenommen haben und uns der Zusammenhang zwischen einem getöteten iranischen General nicht im Iran, sondern im Irak abgeht. Wer ist diese Quds-Einheit, in welchem Zusammenhang steht sie mit der Führung? Wieder zeigt sich, wie verstrickt die Beziehungen dieser Staaten, wie auch der Religionsführer und der Militärpolitik sind.

Ausserdem ist es wie ein Déjà-vu: bereits im Mai, als wir am persischen Golf weilten, hat sich aufgrund des Atomabkommens ein Konflikt zusammengebraut, der zu eskalieren drohte.
Einmal mehr machen wir die Erfahrung, wie sehr die Berichterstattung der westlichen Medien von der Realität doch abweicht – in den kommenden Tagen wird dies immer wieder der Fall sein. Es wird von einem unermesslichen Entsetzen des Volkes, das in Trauer erstarrt, berichtet, einem Volk im Ausnahmezustand. Von all dem ist die Tage unmittelbar nach dem Ereignis überhaupt nichts zu spüren. Das Leben geht weiter, als wäre nichts geschehen. Wir schlendern über den Bazaar, kommen mit den Fischverkäufern ins Gespräch, kaufen Pistazien und trinken Tee unter Einheimischen. In der Garage lassen wir TINKAs Ersatzreifen montieren, da der kleine Riss in der Pneuflanke auf beunruhigende 3cm Länge angewachsen ist. In Isfahan wollen wir für Ersatz schauen, ausserdem soll TINKA vor dem Nachhauseweg nochmals in eine Wellnesskur in „unsere“ Garage, wo wir das letzte Mal hochzufrieden waren.
In den kommenden Tagen erreichen uns immer mehr Nachrichten von beunruhigten Freunden und Familienmitgliedern. Es macht in Europa wohl den Anschein, als wäre der Iran im Ausnahmezustand kurz vor Kriegsausbruch. Inzwischen begegnen uns die ersten schwarzen Flaggen und Plakate mit dem Antlitz des getöteten Soleimanis, ausserdem wird eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen ; das Leben soll stillstehen. Wir sind, da praktisch veranlagt, etwas beunruhigt, ob diese Staatstrauer unsere Pneu-Aktion verzögern wird, da wir doch gerne bei Bedarf zügig weiterreisen würden. Aber, wie viele andere auch, winkt der Garagenchef lächelnd ab – keine Zeit für solche Dinge, das Leben nimmt seinen gewohnten Lauf. Und Toralf kann nach den üblichen Irren und Wirren des iranischen Geschäftsabschluss nach Stunden und literweise Tee endlich die neuen Pneus bestellen.
Wir suchen immer wieder mit Lokalen das Gespräch, was sie von der Situation halten. Aber wie bereits im Mai winken die meisten müde ab. Schlechte Nachrichten sind nichts besonderes, die Alltagssorgen prägen das Leben, für viele ist die Zukunft ungewiss. Der Traum vom sorglosen Leben in einem anderen Land schneidet sich mit dem Realitätsbewusstsein und der Verbundenheit zur Heimat.
Wir freuen uns, wieder in Isfahan zu sein. Inzwischen fühlen wir uns in dieser tollen Stadt schon fast heimisch. Auch Julian und Tabea wissen noch, wo ihre Lieblingsbrücke, in deren Bögen sie immer Verstecken spielten, steht und rufen zur Freude des Taxifahrers in bestem Farsi deren Namen, kaum ist sie in der Ferne zu erblicken – wir staunen, dass ihnen der Name, Si-o-se Pol, tatsächlich geblieben ist. Auch der Koh Sofeh, der Hausberg Isfahans, ist ihnen noch geläufig.
Alltag auch beim Reisen
In unserem Stammrestaurant werden wir wie alte Bekannte begrüsst, uns zieht es immer wieder auf den grossen Platz, der zu dieser Jahreszeit eine ganz besondere Magie aufweist. Der Bazaar ist nicht mehr ganz ein so unentwirrbares Labyrinth wie zuvor, auch beginnen wir ganz langsam gewisse Ausdrücke und sogar Sätze zu verstehen. Karin kann sich immer mehr für diese Sprache begeistern und setzt sich in den Kopf, wenigstens die Grundlagen davon zu lernen.
Selbstverständlich informieren wir uns über die aktuelle Lage, fühlen uns momentan aber noch überhaupt nicht gedrängt, das Land früher als geplant zu verlassen. Dies ändert sich mit dem Raketenangriff auf die amerikanische Militärbasis im Irak – nun werden auch wir langsam nervös; es ist nicht abzusehen, was sich der grosse Mann drüben einfallen lässt . Wir treffen uns mit holländischen Overlandern – es tut gut, die Situation mit Menschen vor Ort zu besprechen. Auch sie, bisher tiefenentspannt wie wir, sind durch die momentane Entwicklung beunruhigt. Wir entscheiden uns, schweren Herzens am nächsten Tag aufzubrechen, es liegen schliesslich noch drei Tage Fahrt vor uns bis zur Grenze.
Nazvan Park Für den Iraner gibt es kein zu nass, zu kalt, zu …. – Picknick MUSS sein!
Das schon fast unerwartete deeskalierende Statement von Trump am nächsten Morgen erleichtert uns sehr, und so geniessen wir die kommenden Tage noch mit entspannten Ausflügen, gutem Essen und Einkaufen, bevor es endgültig Abschiednehmen von Isfahan heisst.
