Ein angenehmer Wind weht uns um die Ohren. Obwohl es 34°C sind, fühlt sich die Hitze nicht als solche an. Einerseits haben wir uns inzwischen wohl an die höheren Temperaturen gewöhnt, andererseits tut der Fahrtwind das übrige. Wir haben uns an die lokalen Verhältnisse angepasst – auch an die Fahrkünste. Deshalb fahren wir ziemlich entspannt zu viert auf dem gemieteten Motorrad durch die Gegend – und werden tatsächlich noch von einer Familie zu fünft überholt. Wir haben uns Ferien genommen, Urlaub vom Reisen. Auch wenn man sich das kaum vorstellen mag: Reisen kann recht anstrengend sein. Und in Indien ganz besonders.
Unsere ursprüngliche Routenplanung mussten wir aufgrund der Konflikte im Kashmir ändern. Wir hatten geplant, quasi als Sahnehäubchen zu all unseren erfüllten grossen Reisezielen, den Manali-Leh-Highway über den indischen Kashmir bei Srinigar zu fahren. Bereits vor 10 Jahren wurden ähnliche Pläne von Karin durch den Kashmir-Konflikt durchkreuzt, nun wieder – no way. Ladakh-Leh und der indische Himalaya bleibt also ein weiterhin bestehendes Sehnsuchtsziel.
So haben wir uns kurzerhand dazu entschieden, etwas Ferien einzulegen. Mitten im Paradies, in Süd-Goa, tauschen wir TINKA gegen ein Häuschen, das uns mit seinen 25m2 wie eine grosse Villa erscheint. Wir geniessen das tägliche, uneingeschränkte Duschen, die Vielfalt an Gerichten und auch wieder das gelegentliche Bier. Obwohl Karin nach zwei Cocktails und einem Bier eine Erfahrung der anderen Art macht und sich schwört, die Enthaltsamkeit der letzten Monate doch lieber fortzusetzen.
probiert wird alles
Wir haben ein Häuschen direkt am Strand gemietet mit der Idee, dass die Kinder den wunderbaren Sand, das warme Meer von morgens bis abends geniessen können, derweil wir uns unseren Büchern und dem Sortieren der 10’000 Fotos widmen. Weit gefehlt; schon nach einer knappen Woche fragen Julian und Tabea dauernd nach TINKA und wann wir denn nun endlich weiterfahren könnten. Nur Spielen am Strand ist so gar nix für sie, Sand ist langweilig. Dafür entdecken sie ihre Liebe zum Wasser und können gar nicht lange genug darin rumtollen. Keine Welle ist hoch genug – und nach vier Wochen machen sie die ersten Schwimmzüge. Die Ausflüge machen uns allen Spass; es gibt viele schöne Strände zu entdecken, auch die Wanderungen durch den Dschungel geniessen wir sehr. Wir können uns kaum vorstellen, dass es zuhause auf Weihnachten zugeht oder gar schneit!
Lustigerweise treffen wir – ohne etwas genaues abgemacht zu haben – hier auch wieder auf unsere Overlander-Freunde, die wir auf der Reise kennengelernt haben. Wir geniessen die gemeinsame Zeit sehr – es fühlt sich fast wie Ersatzfamilie an – auch für die Kinder, die oft nach Brigitte, Wolfgang und Philipp fragen, sind diese Kontakte wertvoll.
Es ist Erholung pur für uns und doch sind wir etwas wehmütig. Wir sind am entferntesten Punkt unserer Reise angelangt, weiter weg fahren wir nicht mehr. Dieser Gedanke macht uns Mühe. Wir haben Zeit, vieles zu hinterfragen. Was wollen wir, was brauchen wir wirklich zu unserem Glück, wie soll es nach unserer Rückkehr weitergehen? Wir sind uns einig, dass die gemeinsame Zeit unheimlich kostbar, der grösste Luxus an sich ist, der mit keinem Geld zu erwerben ist. Die Annehmlichkeiten zuhause sind zwar sehr schön, kaum etwas hat uns aber richtig gefehlt. Wir vermissen zwar unsere Familie und unsere Freunde, zu denen wir aber – die heutige Technologie sei Dank – regelmässig Kontakt haben. Auch ist das Zusammenleben zu viert auf nur acht Quadratmetern nicht immer nur eitel Sonnenschein – insbesondere mit zwei sich in Autonomie erprobenden Dreijährigen, die die Bude rocken. Und dennoch vermissen wir jetzt schon die Nähe als Familie, das bescheidene Leben, unseren Tagesrhythmus, die Leichtigkeit des Seins, das tägliche Staunen, die vielfältigen Begegnungen, unsere leeren Postfächer und sovieles mehr. Einmal mehr sind wir uns einig, dass diese Reise einer unserer besten Entscheide war.