Reise

Ein Osterhase für den Iran – oder wenn alles anders läuft als gedacht

Noch immer ist unser letzter Blog-Beitrag in Planung. Sozusagen ein gemütliches Resumée bei einem Glas Wein, in schönen Erinnerungen schwelgend, Photos sortierend und Bilanz ziehend.

Tja…wie so häufig bei uns: Pläne sind da, um umgestossen zu werden! Nachdem wir unsere geliebte TINKA mit viel Herz-Schmerz in Dresden eingestellt hatten, haben wir uns auf den Weg in unser altes Leben in der Schweiz gemacht.

Spätestens nach der zwölften Waschmaschine haben wir uns gefühlt, als wären wir nie weggewesen. Aber das Haus erschien uns plötzlich riesig, das Bett viel zu gross und das laufende Warmwasser als ein unglaublicher Luxus. Die erste Woche Einkaufen fühlte sich jedes Mal befremdlich und beklemmend an; wir waren von der grossen Auswahl schlicht erschlagen.

Auch die Kinder hatten so ihre Umstellungsschwierigkeiten. Man mache mal einem 3jährigen klar, wieso man plötzlich nicht immer mehr barfuss herumrennen darf, täglich duschen muss oder die Blumenrabatte vor dem Coop nicht als Not-WC brauchen darf.

Noch nicht einmal alle Kisten ausgepackt – und Corona war da! Ein kleiner Virus, der unser Leben in den folgenden Wochen komplett auf den Kopf stellen sollte. Aber nicht nur unseres: mehrere unserer Weggenossen und Freunde auf der Reise sind durch die aktuelle Situation irgendwo auf der Welt festgesessen oder sind es noch heute; ein Paar hat es förmlich in letzter Minute noch geschafft, vor dem kompletten Shot Down Indien mit dem Flugzeug zu verlassen.

Während wir noch damit beschäftigt sind, uns hier unter den besonderen Umständen einzuleben, respektive neu zu sortieren, da Karin unerwarteterweise gleich wieder ins Arbeitsleben eingestiegen ist, erreichen uns traurige Nachrichten von unseren Freunden im Iran.

Farshid und Saeideh haben wir im Juni des vergangenen Jahres in einem kleinen Städtchen am persischen Golf kennengelernt. Auf der Suche nach einem Ort mit Klimaanlage sind wir spätabends bei noch immer über 30°C völlig verschwitzt und ermattet nach einer langen Fahrt in ihrem Bar-Café gelandet. Wir wurden mit den Worten „welcome home“ begrüsst, als erstes in die private Dusche geschickt, währenddem die Kinder mit Eis beglückt wurden. Bei Fruchtshakes und bestem Kaffee wurden wir herzlichst direkt in den Freundeskreis aufgenommen, konnten unsere ersten zwei Wochen Iran verarbeiten, viele Fragen stellen – und uns einfach wohl fühlen. Die folgenden Tage wurden wir wie selbstverständlich bewirtet, wir durften unsere Wäsche waschen, das stinkende, in den Abwasserkanal gefallene Kind reinigen, uns durch lokale Köstlichkeiten probieren und mit den Caffée-Besitzern und ihren Freunden zum Schwimmen, Schnorcheln, Picknicken gehen. Auf diese Weise durften wir auf ganz besondere Art „in den Iran einsteigen“ – uns hat dies enorm geholfen, dieses Land, sein Volk und gewisse Verhaltensweisen verstehen zu dürfen. Ab dieser Begegnung konnten wir den Iran so richtig geniessen und haben uns in dieses Land verliebt. Beim Verlassen von Bushehr sind Tränen geflossen, ungewiss, wann wir unsere Freunde wieder sehen würden.

In den folgenden Monaten ist der Kontakt zu Farshid und Saeideh nie abgebrochen. Und so entschieden wir uns, unser Versprechen, sie wieder zu besuchen, früher als erwartet wahr zu machen. Entgegen aller Planung, TINKA zu verschiffen, haben wir uns als Ziel gesetzt, Silvester mit unseren Freunden zu feiern. Und tatsächlich wurden wir am 31. Dezember wieder mit den uns nun bekannten Worte „Welcome Home“ im Sports-Bar-Café begrüsst, wo wir weitere schöne Tage verbringen durften. http://tinkaontour.de/2020/01/22/5879/

Bereits zu diesem Zeitpunkt hat sich abgezeichnet, dass die Besitzer Farshid und Saeideh, mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben: Die Miete für ihre Wohnung und das Kaffee wurde vom Besitzer kurz mal verdreifacht – schlicht unvorstellbar für uns! Wie so vieles, was wir in verschiedenen Ländern erfahren und sehen durften/mussten. Einmal mehr wurde uns bewusst, in was für einem behüteten Lebens-Kokkon wir uns doch befinden. Unsere Freunde waren aber guter Dinge, einerseits mit dem Besitzer verhandeln, andererseits die Jahresmiete auftreiben zu können. Zu sehr sind sie sich an Unvorhergesehenes und tägliche Schwierigkeiten gewohnt!

Die Corona-Krise hat aber noch einen draufgesetzt und so wurde das Lokal unserer Freunde vor über 2 Monaten behördlich geschlossen – auch im Iran stand das öffentliche Leben komplett still, respektive tut es noch immer. Somit ist das Einkommen unserer Freunde komplett eingebrochen. Nichtsdestotrotz haben sie weiterhin Reisende aus aller Welt aufgenommen, sogar ihre Privaträumlichkeiten geöffnet und zeitenweise 14 Personen gleichzeitig beherbergt, da das individuelle Reisen im Iran nicht mehr möglich war.

Die aktuelle Situation hat Saeideh und Farshid vor den finanziellen Abgrund gebracht. War das Leben bereits vorher nicht einfach, so hat diese Krise jetzt, das Fass zum Überlaufen gebracht – sie können ihre Jahresmiete schlicht nicht bezahlen, ihnen droht der Verlust ihrer Wohnung und ihrer Café-Bar.

Aufgrund dessen haben wir, zusammen mit einer anderen Overlanderfamilie, die wir unterwegs kennengelernt hatten, ein Fundraising für unsere Freunde auf die Beine gestellt und alle Overlander, die ebenfalls begeisterte Gäste bei Farshid und Saeideh waren, mit der Bitte um eine Osterspende kontaktiert. Zu diesem Zweck haben wir für das Sportsbar-Kaffee eine eigene Website erstellt, die auch nach dem Überleben des Cafés dienen soll, diesen speziellen Begegnungs-Ort von Lokalen und Reisenden bekannt zu machen.

Es wäre eine unglaublich schöne Ostergeschichte, könnten wir den benötigten Betrag auftreiben – sollte jemand von unseren treuen Lesern & Begleitern den Betrag eines Schokoosterhasens übrig haben, würden wir uns enorm freuen! Hier der entsprechende Link zum Sportsbar-Café

Wir danken Euch jetzt schon für Eure Lese- und Mitreisetreue, wünschen Euch allen von Herzen frohe Ostertage und versprechen, unseren letzten Blogbeitrag irgendwann, irgendwie noch nachzuholen!

Eure Karin, Toralf, Julian & Tabea

Nachtrag: bis heute, 15. 4. 2020, 10:00Uhr haben 49 Menschen aus 8 verschiedenen Ländern insgesamt 5645 Euro gespendet. Damit haben wir 2/3 der angestrebten Gesamtsumme von 8400 Euro erreicht. Im Namen von Farshid und Saeideh danken wir allen von ganzem Herzen!

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